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Vom Kaiser zum Marschall

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Geschichte der Weimarer Republik. Von Erich Eyck. (Vom Zusammenbruch des Kaisertums bis zur Wahl Hindenburgs 1916—1925.) Eugen Rentsch Verlag, Erlenbach-Zürich-Stuttgart. 472 Seiten.

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Geschichte der Weimarer Republik. Von Erich Eyck. (Vom Zusammenbruch des Kaisertums bis zur Wahl Hindenburgs 1916—1925.) Eugen Rentsch Verlag, Erlenbach-Zürich-Stuttgart. 472 Seiten.

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Preis 17.50 DM.

Nach den temperamentvollen und quellenmäßig untermauerten Werken Eycks über die Epoche Bismarcks und Wilhelms II. konnte man auf das vorliegende Buch mit Recht gespannt sein. Hat doch Eyck, wie er im Vorwort betont, als „Mithandelnder" diese Zeit erlebt, und so gewinnt mancher Abschnitt an besonderer Farbe, aber auch an sehr persönlicher Betrachtung. Dies wird aber immer unvermeidlich sein, wenn „Zeitgeschichte" geschrieben wird, soferne durch exakte Quellenerfassung und Kritik die persönliche Note auf ein Minimum reduziert wird. Dies hat Eyck versucht und konnte sich auf eine profunde Quellenbasis stützen, wobei die von der Wiener Library erstellte Arbeit besonders hervorgehoben wird. Die neuesten Einzeluntersuchungen, etwa von Helm Speidel über „Reichswehr und Rote Armee", konnten nicht mehr verwendet werden, doch hat Eyck richtig den Faden der deutsch-russischen Beziehungen vor und nach Rapallo erfaßt und als grundlegend für die Außenpolitik erkannt. Seine Darstellung, die übrigens sprachlich meisterhaft ist, setzt mit dem Zusammenbruch der Monarchie ein, wobei die Schuld der Obersten Heeresleitung besonders genau untersucht wird. In Ludendorffs Forderung vom 29. September 1918 nach einer überhasteten Waffenstillstandsbitte und dem kopflosen Hin und Her der Generalität in den nächsten Wochen sieht Eyck die unheilvolle Geburt der Dolchstoßlegende. Wohl übernehmen, die Parteien die Verantwortung für Reich und Länder, wobei Eljerts Person sehr bald hervorragt, aber aus dem Chaos des deutschen Zusammenbruches entsteht weder ein neuer Staatsgedanke noch eine heilsame Umkehr. Die Analyse des Vertrags von Versailles hätte vielleicht stärker unter Hinblick auf die soziologischen und damit gerade für das Aufkommen verproletarisierter Kleinbürgermassen entscheidenden Folgen durchgeführt werden sollen. Wie überhaupt die einzige Schwäche des Buches von Eyck in dem zu geringen Verstehen sowohl der sozialen wie auch der irrationalen Vorgänge des deutschen Volkskörpers besteht. In den Einvernahmen des Untersuchungsausschusses im Reichstag über die Dolchstoßlegende, als Hindenburg und Ludendorff geschickt ihre Verantwortung im Herbst 1918 zu verschieben begannen, sieht Eyck mit Recht den Anfang der innerpolitischen Auseinandersetzungen zwischen der Rechten und der Koalition von Weimar. Das Ringen der einzelnen Regierungen im Hexenkessel der Inflation und die Versuche einer realistischen Außenpolitik, die durch die menschlichen Tragödien Rathenau, Erzberger und das Sich-Aufopfern Stresemanns gekennzeichnet ist, gehört zu den besten Partien des Werkes. Wohl führten die Währungsreformen und der Dawes-Plan zuerst zu Gesundungserscheinungen des Reiches, jedoch das Zerbrechen der großen Koalition, die Stresemanns Sturz zur Folge hatte (was Ebert übrigens seiner eigenen Partei nie vergaß), war ein Wendepunkt der deutschen Innenpolitik. Den Tod Eberts und die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten betrachtet Eyck als einen Triumph der restaurativen Kräfte, obgleich zunächst die Position des neuen Reichspräsidenten noch nicht fest als Hort des Antiparlamentarismus umschrieben war. Man wird mit besonderer Aufmerksamkeit die Fortsetzung von Eycks Werk erwarten können, das schon jetzt eine gewaltige Leistung darstellt.

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