Zwischen fehlender und falscher Demut

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Thema: Eliten

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Thema: Eliten

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Da jede Gesellschaft Eliten herausbildet, stellen sich drei Fragen: Wie verstehen sie sich, wem sind sie verpflichtet und wie rekrutieren sie sich? Das betrifft ihre Kultur, ihre Kontrolle und die "vertikale Mobilität“ einer Gesellschaft. Die demokratische Bildungsgesellschaft ist so erfolgreich, weil sie sich in allen drei Punkten von früheren Zeiten unterscheidet, als eine "gottgewollte“ Ordnung jedem und jeder vorschrieb, an seinem durch Geburt und Geschlecht bestimmten Platz zu bleiben, Eliten praktisch unkontrolliert agieren konnten und ihre Kultur vor allem zu ihrer Abschottung diente.

Ich habe mich mit dem Thema "Eliten“ als Mitarbeiter eines katholischen Begabtenförderungswerkes auseinandersetzen müssen, und wissenschaftlich, als ich mich für die Deutschen im Jahr 1933 interessierte.

Das Cusanuswerk hat mich mit den geistlichen Herausforderungen von Eliten konfrontiert. Die Spannung zwischen der egalitären Tradition des Christentums, dessen Gott eher Sympathien für die Unterprivilegierten als für die Mächtigen und Reichen zeigt, und einer elitären Existenz, die sich über den schmutzigen Abgründen des Alltags wähnt, ist mit Händen zu greifen. Eliten müssen christlich gesehen zwischen falscher Demut ("Wir haben keine Macht und sind die Diener aller“) und fehlender Demut ("Wir haben die Macht und dienen nur uns selbst“) hindurch kommen.

1933 aber hat mir klar gemacht: Wenn die Eliten versagen, ist alles zu spät. Denn sie haben die politische, rechtliche ökonomische, mediale, militärische und religiöse Macht. Die deutschen Eliten haben 1933 sehr weitgehend versagt: moralisch, intellektuell und politisch.

Wer als Teil der Elite Macht hat, soll dies als seine Pflicht annehmen, sich der öffentlichen Kontrolle stellen und in wirklicher Demut dem Gemeinwohl dienen.

* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

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