Die Ironie der Demokratie

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In Washington habe ich vor gut 40 Jahren das Buch zweier Politologen gekauft: "The Irony of Democracy". Die 17. Auflage ist jetzt erschienen. Es ist ein überzeugender Beleg für einen scheinbaren Widersinn: dass nämlich die Demokratie -also die "Herrschaft des Volkes" - ohne Eliten gar nicht überleben könnte.

Eliten, so heißt es da, regieren ein Land einfach kompetenter und wertebewusster,

* weil sie dank Herkunft, Erziehung, Bildung und Erfahrung besser als "die Masse" wüssten, wie zerbrechlich jede Demokratie ist;

* weil sie sich leichter als "das Volk" der ideologischen Verführbarkeit und dem politischen Desinteresse zu entziehen vermöchten - und um die begrenzte Aussagekraft von Wahlergebnissen wüssten;

* weil sie auch gegenüber Minderheiten toleranter seien - und weitblickender, auch nachhaltiger dächten als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Kurzum: Demokratien seien heute weit weniger von "oben" als von "unten" bedroht. Ein Urteil, das freilich nur dann gelte, wenn sich Eliten selbst nicht als "elitär", sondern als Bürger fühlten - und bereit seien, den eigenen Kreis durch Bildungsaufsteiger personell zu erneuern.

Der aktuelle politische Trend aber will das Gegenteil verkünden: "Eliten sollen abtreten!" Wer damit konkret gemeint ist? Die deutsche Zeit hat sich auf Spurensuche nach den bösen Privilegierten gemacht - und erstaunt registriert, dass der Ruf "Weg mit den Eliten auf dem Rücken des hart arbeitenden Volks" am lautesten aus der Eliten-Mitte kommt! Vom Milliardär Donald Trump etwa. Vom SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Oder von einer geborenen Herzogin in der deutschen AfD-Führung ...

Feindbilder Intellektuelle, Medien ...

Also richtet sich der Zorn ganz unpräzise gegen "die da oben". Was jeder nach eigenem Gutdünken auslegen kann.

Weitet man den Blick geografisch, dann trifft der zunehmende Hass auch die Intellektuellen, die eigenständig Denkenden, die kritische Presse - und alle anderen, denen Demokratie, Pluralität, Toleranz ein Anliegen sind. Auch jene, die noch für ein vereintes Europa, für Solidarität mit Flüchtlingen usw. stehen.

Die gegen Angstmache und das Hochziehen von Mauern plädieren.

Es stimmt schon: Die Demokratie ist auch bei Eliten nicht immer in guten Händen. Jede Macht verführt, Kontrolle muss also sein. Aber das neue, verlockende "Feindbild Elite" - derzeit von Rechts- und Linksaußen geschürt - gefährdet längerfristig nicht nur die Politik. Denn sobald wir aufhören, unseren Kindern und Enkeln zu sagen, dass jeder eine Chance hat, durch Tüchtigkeit selbst "Elite" zu werden, unterlaufen wir jene kreativen Energien, die "Zukunft" sichern - in welchem Bereich auch immer.

Von Trump und Le Pen bis Erdogan hören wir eben jetzt, Demokratie sei letztlich nichts als eine "Eliten-Verschwörung". Vielleicht aber ist die Schmähung des Eliten-Begriffs die eigentliche Bedrohung.

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