Der Charme der Begegnungskünstler

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Seit 20 Jahren sorgen die Klinik-Clowns in österreichischen Krankenhäusern für eine einzigartige Verbindung von Erheiterung und Fürsorge.

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Seit 20 Jahren sorgen die Klinik-Clowns in österreichischen Krankenhäusern für eine einzigartige Verbindung von Erheiterung und Fürsorge.

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Aus dem großen Reigen der Narrengestalten hat sich eine Figur entwickelt, die mittlerweile an vielen Schauplätzen Karriere gemacht hat: Nicht nur im Theater und im Zirkus, sondern auch im Kino, in Fernsehserien, in der Bildenden Kunst sowie in den Archiven der Pop-Musik taucht der Clown als komischer Unterhaltungskünstler auf. In den letzten 20 Jahren haben Clowns auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen Einzug gehalten: Speziell ausgebildete Künstler schlüpfen dabei in das Clown-Kostüm und versuchen durch einfühlsame Zuwendung, Lachen, Lieder und Zaubertricks kranke Menschen in ihrem Genesungsprozess zu unterstützen.

Unter den vielfältigen Clown-Figuren hat der Klinik-Clown eine "berufsbedingte" Sonderstellung: Denn er muss die jeweilige Behandlungssituation verstehen und in der Lage sein, eine persönliche Beziehung zum Patienten zu etablieren, intuitiv zu reagieren, negative Gefühle zu zerstreuen und zu einer guten Atmosphäre in der Betreuungseinrichtung beizutragen. Wie in einer aktuellen Studie der Universität Zürich gezeigt wurde, vereinen die Klinik-Clowns die fröhliche Unterhaltungskunst der allgemeinen Clownerie mit der Empathie und Fürsorge des Pflegepersonals. Ein Team um den Psychologen Willibald Ruch wies nach, dass Klinik-Clowns ebenso wie Zirkus-Clowns Erheiterung auslösen, aber zusätzlich auch Gefühle der Wertschätzung, Würde und Stärke vermitteln können. Dies verdeutlicht, so die Studienautoren, dass die durch Klinik-Clowns bewirkten emotionalen Veränderungen bisher unterschätzt wurden, da sie über die typischen Humor-Reaktionen hinausreichen.

Humor als Medizin

Dass Lachen und Humor eine heilsame Wirkung entfalten, ist vielfach belegt: Lachen wirkt aufmunternd, Stress reduzierend und stimuliert das Immunsystem. Die Wirksamkeit des Lachens ist unabhängig davon, ob es spontan hervorgerufen wird oder willentlich eingeleitet wird, wie dies etwa beim die Lachmuskeln strapazierenden "Lach-Yoga" der Fall ist.

Wer medizinische Datenbanken durchforstet, stößt auf vielseitige Studien zum Nutzen des Lachens - etwa als unterstützende Maßnahme nach Krebstherapien, bei chronischen Schmerzen, Depression, Schlafstörungen oder auch als Anreiz, um ältere Patienten für heilsame Körperübungen zu motivieren. Humor in Clownerie oder Film sorgt gemäß ersten Daten für eine raschere Symptombesserung, größere Schmerzlinderung und höhere Schmerztoleranz.

Kluft von Praxis und Forschung

Bei der Entwicklung klinischer Clown-Projekte spielt Österreich eine maßgebliche Rolle: 2014 feiern die in Wien gegründeten "Rote Nasen" Clown-Doctors ihr 20-jähriges Jubiläum. Seit elf Jahren ist der durch Spenden finanzierte Verein der "Roten Nasen" international aktiv, wobei Partnerorganisationen in zahlreichen Ländern, darunter Deutschland, Ungarn, Slowenien oder Kroatien, aufgebaut wurden.

Auch die Programmschiene des Vereins wurde erweitert: So besuchen die "Rote Nasen" heute nicht nur Kinderstationen, sondern auch Rehabilitationszentren und geriatrische Einrichtungen. Das Projekt des "Karawanen Orchesters" betreut geistig behinderte Kinder und Jugendliche in der Sonder-und Heilpädagogik, und im Rahmen des Programms "Emergency Smile" reisen die Clown-Doctors in Krisengebiete. Die Erfahrungen im ersten Einsatzgebiet in Kamerun zeigten, wie Klinik-Clowns über ethnische und kulturelle Grenzen hinweg ihre Mission vollbringen können: "Es ist immer wieder erstaunlich, was die Figur des Clowns vermag", berichtete der "Rote Nasen" Clown Christophe Dumalin in der Ärzte-Woche. "Bei 'Emergency Smile' kommt das Urwesen des Clowns ganz deutlich zum Vorschein: Als Begegnungskünstler tritt er mit Menschen auf sehr emotionaler und purer Ebene ganz ohne Barrieren in Kontakt." Die klinische Clown-Praxis sei aber noch nicht mit der Grundlagenforschung zusammengewachsen, meint Psychologe Ruch, der bedauert, dass das "einleuchtende Modell der Clown-Doctors bislang mehrheitlich von Philanthropen finanziert werden muss". Die überaus nützliche Figur des Klinik-Clowns solle verstärkt von einer wissenschaftlichen Grundlage getragen sein - und letztlich nicht nur von der Rührung der Herzen abhängig sein.

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