Emotion statt Perfektion

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Wie perfekt müssen Politiker sein? Sie dürfen nicht stottern, sollen sportlich sein, müssen eine intakte Familie haben und zu allem eine Antwort wissen. Was sie sich nicht leisten dürfen: Laster aller Art (Zigarette, Schweinsbraten, kleiner Schwips), Übergewicht - und das Geständnis, dass man im Büro schon mal "furchtbar geschluchzt" habe und "alles hinhauen" wollte, wie Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky kürzlich in einer Postille gestand.

Die stellvertretende ÖVP-Parteichefin (ja, das ist sie auch!) überrascht jeden Tag aufs Neue mit dem Bruch aller politischen Benimm-Regeln. Das ist einerseits ziemlich unprofessionell, ihrem Kabinett gebührt herzliches Beileid zu einer so schwierigen Chefin. Andererseits ist ein derartiger Paradiesvogel inmitten der glatt gebürsteten Politikerriege auch interessant. Denn wie sehr nerven doch die stereotypen Nicht-Antworten von Ministern! Sie wollen ihre vorbereiteten Stehsätze loswerden, egal wie die Frage lautet. Sie umschiffen Heikles und lassen sich zu keiner emotionalen Aussage hinreißen, wodurch sie oft zu Tode gecoacht und langweilig wirken. Das kann man Kdolsky nun wirklich nicht vorwerfen.

Dennoch ist ihr Stil nicht nachahmenswert. Denn die diversen Sager und Aktionen der Ministerin - von Tanzen bis Modeln - mögen zwar authentisch sein, stellen aber alles andere in den Schatten. Wer weiß eigentlich, was die Ministerin politisch denkt? Der Maler Hermann Nitsch meinte unlängst, als ihn die ÖVP-Regierungsmannschaft in seinem Museum besuchte, er habe eigentlich gedacht, Kdolsky sei eine Sozialdemokratin. Wen wundert's? Oder steht sie nur für den Spaßfaktor? Offenbar nicht einmal das, sonst hätte sie die Politik nicht schon so sehr zum Heulen gefunden.

Die Autorin ist Innenpolitik-Ressortleiterin der "Presse".

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