Eine Frau als Symbol

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Andrea Kdolsky und der "Relaunch" der ÖVP.

Wollte man die aktuelle Befindlichkeit der ÖVP an einer Person aus ihren Reihen festmachen, man müsste Andrea Kdolsky vor den Vorhang bitten. Die neue Gesundheits-und Familienministerin personifiziert nachgerade die ambivalente Lage der Volkspartei, die sich - in Folge einer schmerzlichen Wahlniederlage - eben auf den so riskanten wie notwendigen Weg einer Neupositionierung begeben hat.

Man kann Andrea Kdolsky als moderne, lebensfrohe, im guten Sinne "undiplomatische" Frau empfinden - gewissermaßen das Gegenstück zu all den Sprechblasen absondernden Parteisoldaten und Funktionärstypen jedweder Couleur. Das sollte man nicht zu gering veranschlagen, denn ein Gutteil der Politikverdrossenheit resultiert daraus, dass viele der handelnden Personen jenen, die sie zu vertreten haben, so gut wie keine Identifikationsmöglichkeiten bieten. (Václav Havel hat einmal sinngemäß bemerkt, das Problem der politischen Klasse bestehe darin, dass man ihren Repräsentanten anmerke, dass sie sich ihren Kaffee nie selber kochen ...)

Die Bereitschaft erfolgreicher, intelligenter, nicht durch und durch parteimäßig sozialisierter Menschen sich für die Politik zur Verfügung zu stellen, wird freilich von der Öffentlichkeit nicht gerade gefördert. Denn wer das tut, muss damit rechnen, dass ihm binnen kurzer Zeit Teile seiner eigenen Biographie um die Ohren fliegen: So wie sich Kdolsky nun mit Zitaten aus einem im Vorjahr erschienenen Buch konfrontiert sieht, wurde kürzlich Wissenschaftsminister Johannes Hahn vorgeführt, der im Standard eine hämisch grundierte Relecture seiner Philosophie-Dissertation lesen durfte.

In der Sache liegen die Dinge bei Kdolsky freilich anders als bei Hahn. Während Hahns Doktorarbeit schon einige Zeit zurückliegt und nur sehr mittelbar in Bezug zu seiner heutigen politischen Arbeit zu setzen ist, sind Kdolskys Zitate aus dem Buch Kinderlos, na und? sowie erst recht ihre ersten Interviews aktuell und stehen in direktem Zusammenhang mit ihren Ressorts. Kdolskys Aussagen über Rauchen und Schweinsbraten mögen als sympathisches Konterkarieren des grassierenden Gesundheits-und Schlankheitswahns durchgehen; aber aus dem Munde der Gesundheitsministerin machen sie sich leider nicht so gut. Und ihre Ausführungen über die Vorzüge der Kinderlosigkeit werden den Beifall der meisten Kinderlosen und/oder Singles finden - und wohl auch für manche genervte, gestresste, überforderte Eltern teilweise nachvollziehbar sein; aber für eine Familienministerin sind das die falschen Signale. Gewiss, Kdolsky dachte, als sie am genannten Buch als Gesprächspartnerin mitwirkte, kaum an eine Karriere als Familienpolitikerin; und das Herumschnüffeln in den Biographien bleibt - siehe oben - problematisch. Gleichzeitig aber kommt in ihren Ausführungen eine Grundhaltung zum Ausdruck, die man nicht binnen Jahresfrist einfach ablegt - und die eben so ziemlich das Gegenteil dessen darstellt, was man von Familienministerin erwarten darf.

Damit aber sind wir wieder bei der ÖVP und ihrem Schlagwort von der "modernen konservativen Volkspartei", das es nun gilt, mit Leben zu erfüllen. Denn, so kann man vermuten, Familienpolitik ist wohl eines jener Felder, auf denen der Neustart exemplarisch zu studieren sein soll. Natürlich muss die ÖVP veränderte gesellschaftliche Realitäten zur Kenntnis nehmen, wie sie zur Zeit nicht müde wird zu betonen. Alleinerzieher/innen etwa verdienen jede Unterstützung, und es ist auch nicht einzusehen, warum es nicht eingetragene Partnerschaften für hetero-wie homosexuelle Beziehungen geben soll. Aber um die Frage nach ihrem Leitbild wird auch eine "moderne konservative Volkspartei" nicht herumkommen. Denn alles gleichermaßen zu fördern ist nicht möglich; oder anders gesagt: nur wer nichts und niemanden fördert, "diskriminiert" auch nichts und niemanden.

Es braucht keine "politische Verklärung von Mutterschaft" (Kdolsky), keine kitschige Idealisierung von Großfamilien; aber es braucht den Mut zu sagen, dass Kinder das Leben bereichern und in stabilen Familien noch immer am besten aufgehoben sind. Andrea Kdolsky sollte die Chance bekommen, zu zeigen, dass sie das verstanden hat.

rudolf.mitloehner@furche.at

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