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Über Andrea Kdolsky und den familienpolitischen Dauerstreit in diesem Land.

Das "liberale" Image Andrea Kdolskys sei dahin, können wir nun immer wieder lesen. War alles nur Show, keine Substanz dahinter - ist halt doch eine "richtige Schwarze", so schreiben jetzt viele Kommentatoren. Im Zentrum der Kritik stehen dabei meist Kdolskys Positionen zum Kindergeld: ihr Festhalten an einer (leicht erhöhten) Zuverdienstgrenze und das Beharren auf Rückzahlungen im Falle zu Unrecht bezogener Mittel.

Vor allen familienpolitischen Streitfragen lohnte es freilich, zunächst einmal die Prämisse der vielfach artikulierten Enttäuschung näher anzusehen: Wann gilt denn ein Politiker oder eine Politikerin als "liberal", womöglich als ebensolches "Aushängeschild" oder gar als "Hoffnungsträger"? Da wir nicht annehmen wollen, dass professionelle Politbeobachter Clownnasen und Csárdás-Tanzen schon als Ausweis von Liberalität durchgehen lassen, wird es sich wohl an bestimmten Inhalten festmachen lassen. Im Falle Kdolskys dürften das einige - teils aus ihrer vorministeriellen Zeit stammenden - gesellschaftspolitische Aussagen sein, die ihr den entsprechenden Ruf eingebracht haben.

Dabei scheint allerdings ein grundsätzliches Missverständnis vorzuliegen, das sich etwas salopp mit dem Satz umschreiben ließe: Liberal ist, wer nichts "glaubt". Wie im religiösen Bereich gilt aber auch im politischen und allgemein weltanschaulichen: Wer "nichts glaubt", glaubt nicht nichts, sondern alles Mögliche, nur eben nicht das Überkommene. Mit anderen Worten: Die von manchen offenbar als Idealfall angesehene "liberale", wertfreie Politik gibt es nicht; politische Entscheidungen sind immer wertebasiert - die Frage ist nur, welche Werte diese Basis bilden. Soviel zur VP-internen Positionierungsdebatte im allgemeinen und zur ursprünglichen Einschätzung Andrea Kdolskys als "Liberaler" im besonderen.

Zurück zum Kindergeld: Zunächst verstört an der Debatte, dass hier immer wieder von "Falle" die Rede ist. Das ganze Kindergeld war eine "Falle", weil es die Frauen zurück an den Herd (bzw. nicht wieder rechtzeitig weg von diesem) locke; die Zuverdienstgrenze ist natürlich eine "Falle" für die Besserverdienenden; und jetzt, da die vielfach geforderte - und auch sinnvolle! - Flexibilisierung kommt, finden sich Mütter (und Väter) unversehens in der "Flexibilisierungsfalle" wieder.

Kommt eigentlich irgendjemand auf die Idee, erwachsene Menschen ernst zu nehmen und ihnen rationale Entscheidungen zuzutrauen? Oder verstehen wir den Rechtsstaat primär als "Fallensteller", sodass wir unmündigen Bürger von kundiger Hand (wessen auch immer) sicher durch gefährliches Gelände geführt werden müssten?

Abgesehen davon wäre festzuhalten, dass gesetzliche Regelungen selbstverständlich auch dann einzuhalten sind, wenn sie gewissermaßen von einem Augenzwinkern des zuständigen Ministers begleitet beschlossen wurden oder ex post mehrheitlich nicht als sinnvoll betrachtet werden. Es besteht also überhaupt kein Anlass für eine Generalamnestie, sehr wohl freilich, wie von der Ministerin versprochen, für eine großzügige Berücksichtigung von Härtefällen.

Was die Zuverdienstgrenze selbst betrifft, so gibt es einen breiten Konsens von FPÖ über Katholischen Familienverband bis hin zu Rot-Grün, dass diese besser abzuschaffen wäre (hier entdecken die Linksparteien ihr Herz für die "Besserverdienenden" …). Natürlich war mit dieser Obergrenze ursprünglich das gesellschaftspolitische Signal verbunden, dass sich doch Eltern (auch) selbst um ihre Kinder kümmern sollten, was prinzipiell gewiss wünschenswert ist. Aber so funktioniert das offensichtlich nicht, wirkt, im Gegenteil, eher kontraproduktiv. Man sollte das schlicht zur Kenntnis nehmen - nicht zuletzt auf Basis des begründeten Verdachts, dass Eltern im allgemeinen kein Interesse haben, ihre Kinder vollkommen "outzusourcen".

Es spräche also viel dafür, die leidige Zuverdienstgrenze abzuschaffen. Denn noch wichtiger als die Frage, wer sich wie viel um die Kinder kümmert, ist das Anliegen, dass überhaupt Kinder zur Welt gebracht werden. Ob das nun liberal ist oder nicht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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