Forscherinnen à la Hollywood

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Jede Berufssparte hat ihre Klischees. Und in rund 80 Jahren Filmgeschichte findet Eva Flicker gleich sieben für die Wissenschafterin.

Die Furche: Frau Flicker, Sie haben sieben stereotype Bilder von Wissenschafterinnen herausgearbeitet. Gibt es eines, das Sie besonders mögen?

Eva Flicker: Ja, die Herbe.

Die Furche: Diese unweibliche Wissenschafterin ...?

Flicker: Ja. Sie passt eben in kein klassisches Rollenbild. Und: Die Erwartungen anderer sind ihr eigentlich egal. Ich sehe hier interessante Anknüpfungspunkte an aktuelle Queerdebatten. Leider findet sich dieser rebellische, aber auch sehr humorvolle Typ in heutigen Filmen nicht mehr.

Die Furche: Was halten Sie eigentlich vom jüngsten Stereotyp: Der hübschen Kampfmaschine?

Flicker: Lara Croft ist furchtbar platt. Von den weiblichen Eigenschaften bleibt nur noch die sexuelle Attraktivität. Ihr ganzes Know-How hat sie vom Vater. Im Inneren ist sie ein kleines Mädchen geblieben. Und selbst die Kämpfernatur ist zweischneidig. Einerseits steht das Kämpfen für die Möglichkeit, sich selbst seinen Weg zu bahnen. Andererseits passt das genau in die zeitgenössischen Ideen von der Ich-AG. Und viele scheitern in der Selbständigkeit.

Die Furche: Sie haben die stereotypen Bilder gleichzeitig bestimmten Jahrzehnten zugeordnet. Sind die alten Bilder heute nicht mehr gültig?

Flicker: Das stimmt zum Teil. Die von mir als alte Jungfer bezeichnete Wissenschafterin etwa war in den 1940er Jahren stark verbreitet, kommt heute aber kaum mehr vor. Doch noch ein Wort zur Stereotypisierung, die ist nämlich heikel ...

Die Furche: Wieso heikel?

Flicker: Man sollte bedenken, dass die filmische Wirklichkeit oft komplexer ist. Es existieren auch Mischformen. Außerdem tragen aus Perspektive der feministischen Theorie derartige Stereotype zur Fixierung alter Geschlechterdualismen bei.

Die Furche: Und was spricht dann für die Stereotype?

Flicker: Das Mainstreamkino braucht natürlich Klischees, um Figuren mit wenig Informationen einführen zu können. Wissenschafterinnen - aber nicht nur die - werden so sofort greifbar. Stereotype fungieren also auch als eine Art kollektiver Wissensspeicher.

Die Furche: Science-Fiction-Filme handeln üblicherweise von der Zukunft. Gibt es hier keine neuen und ganz anderen Wissenschafterinnen?

Flicker: Einerseits ist das richtig: Im Film Frau im Mond von 1929 trägt die Wissenschafterin etwa Hosen. Damals war das durchaus revolutionär. Sehr oft wird über das Outfit und eine höhere Qualifikation mit den Stereotypen gespielt. Andererseits bleiben die Filme doch ihrer Zeit verhaftet.

Die Furche: Inwiefern?

Flicker: Zum Beispiel gibt es während des Kalten Kriegs zahlreiche Science-Fiction-Filme, die von einer Bedrohung durch das Fremde erzählen. Und die Hippiebewegung der 1960er findet etwa ihr Abbild in Barbarella. Dieser handelt von der Emanzipation der Frau und sexuellen Freiheiten. In den 1970er und 1980er Jahren, als die Umweltbewegung besonders stark wird, tauchen dann die ersten Öko-Thriller auf.

Die Furche: Die Stereotype sind auf den ersten Blick sehr verschieden. Gibt es auch Gemeinsamkeiten?

Flicker: Eine gibt es tatsächlich: Alle Wissenschafterinnen im Spielfilm sind einsame, traurige Heldinnen.

Die Furche: Warum ist das so?

Flicker: Weil eine Stelle im Wissenschaftssystem sich mit dem spießt, was sonst für Frauen vorgesehen ist. Diese Frauen haben Grenzen überschritten und ihr Preis ist, dass sie einsam sind.

Die Furche: Wie weit liegen hier Film und Wirklichkeit auseinander?

Flicker: Die Einsamkeit gibt es auch in der Wirklichkeit. In den männerbündischen Strukturen werden Frauen mit vielen Ausgrenzungsmechanismen konfrontiert. In Toppositionen sind sie immer noch selten zu finden.

Die Furche: Wie sähe ihr Wunschfilm aus?

Flicker: Die Protagonistinnen wären lebensfrohe Sozialwissenschafterinnen. Für ihre tolle Arbeit erhielten sie Anerkennung. Auch hätten sie ein erfülltes Privatleben.

Die Furche: Wann kommt dieser Film in die Kinos?

Flicker: Als Hollywoodstreifen wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht wird es ja ein skandinavischer Film, weil das sind meist wunderbare Filme.

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

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