Karl Pfeiffer - © Fotos: Nina Strasser

Karl Pfeifer zwischen Burgtheater und Gemeindebau

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Was tut jemand, der die bedeutendsten Bühnen des Landes bespielt hat, wenn ihn der marode Körper kaum noch den Gemeindebau verlassen lässt? Alltagskünstler Karl Pfeifer spielt sich regelmäßig auf der Couch. Ein Besuch.

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Was tut jemand, der die bedeutendsten Bühnen des Landes bespielt hat, wenn ihn der marode Körper kaum noch den Gemeindebau verlassen lässt? Alltagskünstler Karl Pfeifer spielt sich regelmäßig auf der Couch. Ein Besuch.

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Das Bühnenbild ist zu karg für eine Posse und zu heimelig für Kabarett. Karl Pfeifer ist in den längeren Arm eines grauen Ecksofas gesunken und kichert in Erwartung dessen, was hier in wenigen Momenten zur Aufführung gelangen soll. „Der Pissoir-Dialog in meinem ersten Buch ist ein Hit“, hat er zuvor angekündigt. „Der ist legendär.“ Ein Attribut, das Pfeifer für seine Gesamterscheinung zu beanspruchen scheint.

Bei all dem, was er in seinem Leben schon gemacht habe, könne man leicht den Überblick verlieren, suggeriert er. Zehn Jahre im Burgtheater-Ensemble, Mitwirkung in Kino-, Fernsehfilmen und Werbespots, außerdem sieben Jahre „Tohuwabohu“. Auch so eine legendäre Sendung.

Heute, an einem Freitagnachmittag im September, besetzt Pfeifer, 67-jährig und von massiver Statur, breitbeinig den einen Stammplatz, der ihm geblieben ist, im Wohnzimmer seiner Gemeindewohnung in der Leopoldstadt. Seine Unterschenkel sind in medizinische Stützstrümpfe und medizinisches Schuhwerk verpackt; seit Stunden hat er vermieden aufzustehen. Glücklicherweise lassen sich die unterhaltsamsten Darbietungen zeitgenössischer Bühnenkunst ohnehin genau hier erleben, im Pfeiferʼschen Wohnzimmer.

Dessen Hauptdarsteller schlägt ein Buch auf, das den Titel „Pfeifer“ trägt, und nimmt eines seiner erfolgreichsten Lesungsformate der vergangenen Jahrzehnte wieder auf: „Pfeifer liest Pfeifer“. Der „Pissoir-Dialog“, den er dröhnend vorträgt, verlässt sich einerseits auf die Dauerbrenner Fäkal- und Genitalhumor. Andererseits, ließe sich unterstellen, porträtiert er den modernen Mann zwischen Selbstüberhöhung und Verletzlichkeit, zwischen Übergriff und Nervosität: Mann 2 lässt sich von Mann 1 und dessen ungefragt geäußerten Annahmen zum Zustand seiner Prostata derart verunsichern, dass er sich wortwörtlich in die Hose macht.

Der Autor hält sich allgemeiner. „Das Thema all meiner Kurzgeschichten und Dialoge ist der Alltag“, sagt Pfeifer. In seiner Lesetasche, die Tochter Julia hereingetragen hat, finden sich sechs von insgesamt elf eigenen Publikationen. Darunter: ein Zigarren- und ein Whiskeyfachbuch sowie, erklärt Pfeifer, der eigentliche Bestseller der Sammlung: das „Tschecharantnlexikon“. Dass ihn Rudi Spreitzer, sein Manager in der Zeit, als er noch regelmäßig auf Kleinkunstbühnen auftrat, als „legitimen Nachfolger von Helmut Qualtinger“ bezeichnet hat, verweist auf dasjenige Expertentum, das Pfeifer das wichtigste ist.

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