Mit dem jungen Chef kann ich nicht!

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Was könnte Arbeitnehmer von der Flucht in die Frühpension abhalten? Eine altersgerechte Arbeitswelt und neuartige Mitarbeitergespräche, meint der Personalchef Kurt Wawra.

"Es genügt nicht zu sagen, die älteren Arbeitnehmer dürfen eh‘ bleiben. Man muss fragen: Was tut der Arbeitgeber, um ihre Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen? Gibt es spezielle Karrierepfade für sie? Solange diese grundlegenden Voraussetzungen ungeklärt sind, bleibt die Forderung, länger zu arbeiten ein Lippenbekenntnis.“ Mit klaren Worten kritisiert Wawra (Bild unten) das noch nicht aufgelöste Spannungsverhältnis zwischen politischem Postulat und betrieblichem Alltag.

Die Initiativen der Regierung und der Sozialpartner zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters hält Wawra für wenig zielführend. Sowohl die geltenden Regelungen als auch die im Spar- und Steuerpaket vorgesehenen würden auf Strafdrohungen und extrinsische Anreizsysteme zurückgreifen: höhere Abschläge bei früherem Pensionsantritt, die Erschwerung der Invaliditätspension sowie die fehlende Zulässigkeit innerbetrieblicher Regelungen, um beispielsweise steuerliche Benachteiligungen beim "Golden Handshake“ auszugleichen oder Sozialpläne zu erstellen. Diese "Steuerungsmittel“ seien nicht geeignet, ein längeres und produktives Arbeiten zu erreichen, meint Psychotherapeut Wawra. Das Gegenteil sei der Fall: "Die Praxis zeigt, dass intrinsische Faktoren wie Qualität durch Arbeitszufriedenheit wesentlich nachhaltiger wirken, um die erwünschte Leistung für Unternehmen zu garantieren.“ Die gängige Mär von den teuren älteren Mitarbeitern, die den Anforderungen der modernen Wirtschaft nicht entsprächen, sei zudem durch zahlreiche Studien eindeutig widerlegt.

Missachtung pflastert den Fluchtweg

Jungen wie alten Mitarbeitern unterlaufen Fehler. Erfahrene Kräfte fänden allerdings schneller Lösungen, begangene Fehler zu beheben. Wawra empfiehlt daher den ressourcenorientierten Blick auf Talente und Fähigkeiten: "Kommuniziert man Menschen, dass sie nicht mehr gefragt sind, führt dies vielfach zu Frustration und Resignation.“ Die Folge davon: "Deswegen bereiten sich 50-jährige Mitarbeiter innerlich auf die Pension vor und ‚gestalten‘ ihr Arbeitsverhalten dementsprechend reduziert. Diese Haltung kennt nur Verlierer: Die Unternehmer beklagen eine geringe Arbeitsproduktivität, die Mitarbeiter leiden unter mangelnder Anerkennung und fühlen sich im Unternehmen überflüssig oder gemobbt.“ Zwangsläufig erfolge Flucht in die Pension, weil das Arbeitsklima unerträglich ist. Der Politik wirft Wawra vor, ohne ausreichende Ursachenforschung ausschließlich mit rechtlichen, jedoch ineffektiven Instrumenten, den Hang zum frühen Ruhestand verhindern zu wollen.

Derzeit gingen die durch einen späteren Pensionseintritt erzielten Einsparungen der öffentlichen Hand eindeutig zu Lasten der Unternehmen, ist Wawra überzeugt. Die Steigerung der Produktivität älterer Arbeitnehmer sei daher unumgänglich, aber nur mit ihnen gemeinsam in einer auf sie zugeschnittenen Arbeitswelt zu verwirklichen. Unternehmer und Sozialpartner seien aufgerufen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesen Übergang ermöglichen. Höchste Priorität haben dabei für Wawra altersgerechte Arbeitsplätze, sowie eine Personalpolitik und Personalentwicklung, die Stärken und Schwächen älterer Arbeitnehmer berücksichtigt und daraus resultierend entsprechende Maßnahmen umsetzt.

Wie umfangreich die politische Agenda ist, um Arbeit im Alter attraktiv zu gestalten, lässt Wawra erkennen: "Ich denke an spezifische Arbeitszeitregelungen, an neue Arbeitsformen und ressourcenorientierte Tätigkeiten, an eine kreative Entgeltpolitik, an eine präventive Gesundheitsvorsorge sowie an eine Führungsorganisation, welche ein gelungenes Zusammenwirken zwischen Alt und Jung gewährleistet.“

Damit eng verknüpft seien ein erhöhter Aufwand an Schulung- und Coaching, dazu die Einführung spezieller Mitarbeitergespräche. Gemeinsam und rechtzeitig sollten Betriebsführung und betroffene Personen einige Optionen für produktive und sinnvolle letzte Jahre beruflicher Tätigkeit entwickeln. Analog zu den Vorschriften für Lehrlinge und junge Mitarbeiter sei es höchst an der Zeit, so Personalchef und Psychotherapeut Wawra, sich auch für Schutz und Förderung älterer Arbeitnehmer einzusetzen.

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