Schwarzblau aus Kakanien

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Statt die 'Aktion 20.000' einfach zu kübeln, hätte die Regierung gut daran getan, ein Maßnahmenpaket zu entwickeln, das älteren Arbeitslosen Hoffnung gibt.

Es sind die ersten Tage im neuen Jahr und gerade in diesen Tagen fällt auf, wie gerne sich die Menschen ihre Zukunft zackig-fortschrittlich vorstellen. Selbst die ganz persönlichen Neujahrsvorsätze sind voll von schnörkelloser Strebsamkeit: Der Terminplan verkündet noch Ordnung im Beruf, die privaten Vorsätze sind noch ungetrübt durch die eigenen moralischen Unwerte. Die Stimmung ist entsprechend aufgekratzt, als galoppiere man im Radetzkymarsch - hopp-hopp - der Zukunft entgegen, um sie im Sturm zu nehmen.

Robert Musil hat eine solche "Neujahrsstimmung" in "Der Mann ohne Eigenschaften" auf die generelle Einstellung der Österreicher zur Moderne hin gemünzt. Sie würden Zukunftsorte anhimmeln und aus ihnen kinetische Wundermaschinen der Effizienz phantasieren. Eine Welt, in der jede Minute des Tages von Unternehmungen und ihrer Umsetzung getaktet wird, ein mehrstöckiger Zivilisationsapparat, horizontal und vertikal durchzogen von Aufzügen, Straßen, Geleisen und Untergrundbahnen. Man bewundere dieses schnelle Leben, auch weil es ein Scheitern dort nicht gäbe. Statt des Nachdenkens über das eigene Versagen sei man schon konzentriert auf das nächste tolle Projekt. Eben gar nicht so wie im "kakanischen" Österreich, regiert von Zauderei, lahmer Politik und einem sklerotischen Beamtenapparat.

Speed kills Reformansätze

So wie die Modernisierungsanhänger schrieb sich so manche Regierung die Abschaffung Kakaniens ins Programm -mit immer gleichen Schlagworten: Weniger Beamte, weniger Widerstände, weniger Behörden. Und das alles schnell-schnell. Als Teil fürs Ganze kann man da den programmatischen Spruch "Speed kills" des ÖVP-Politikers Andreas Khol aus den Jahren der schwarzblauen Regierung unter Wolfgang Schüssel sehen. Auch damals ging es darum, ein Projekt der Modernisierung zu simulieren und ein Gesetzespaket nach dem anderen durchzupeitschen. Wie die Geschichte gerade an diesem Beispiel gezeigt hat, brauchen sinnvolle Reformen aber alles andere als bloß Speed. Auch jene der aktuellen schwarzblauen Regierung Kurz. Es macht eben keinen guten Eindruck, alles sofort zu entscheiden, wenn man danach zum Nachbessern gezwungen oder vom Verfassungsgerichtshof an den Start zurückgeschickt wird, oder schlimmer: Man erinnere sich an Ambulanzgebühr, Zivildienstgesetz, Buwog und Eurofighter.

Kübeln statt Diskutieren

Die Regierung Kurz scheinen die Fehler der ersten schwarzblauen Ära aber wenig zu beeindrucken. Schnell soll alles gehen, und -so scheint es -mit möglichst wenig Debatte -nicht im Parlament und nicht einmal innerhalb der Regierung. Weder die Kürzung des "Beschäftigungsbonus'" noch die Abschaffung der "Aktion 20.000" waren eine Diskussion im Ministerrat wert. Sie wurden per Umlaufbeschluss gekübelt. Tatsächlich wären gerade über die Reintegration älterer Arbeitsloser Diskussionen notwendig, an deren Ende ein strukturiertes Maßnahmenpaket steht, das jenen Hoffnung gibt, die sich zurecht ausgebootet fühlen. Dass dazu auch noch der Eindruck politischer Rache gegen die SP kommt, der die "Aktion 20.000" ein Anliegen war, macht die Optik noch schiefer. Von wegen neuer Stil!

Auch manch anderem Vorschlag scheint das Durchdenken zu fehlen, wie etwa jenem, Flüchtlingsghettos an den Stadträndern zu schaffen oder Radarmessungen in Ortstafelnähe zu unterbinden. Geht es in dieser Tonart weiter, werden sich immer mehr Menschen nach Musil'scher Logik aus der schwarzblauen Moderne wünschen: "Eines Tages ist das stürmische Bedürfnis da: Aussteigen! Abspringen! Zurückkehren zu einem Punkt, der vor der falschen Abzweigung liegt!" Dieser Punkt hieße: Das Kakanien der Großen Koalition, verbunden mit der Erkenntnis, dass der dort unterstellte "Stillstand" rastloser Planlosigkeit weit überlegen ist.

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