Semperit-Schließung verletzt österreichische Seele

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Bei allem Verständnis für Globalisierung und in Anerkennung der Gesetze der Marktwirtschaft, schrieb ich vor längerer Zeit an dieser Stelle, ist es mir nicht gleichgültig, ob Schlüsselsparten der österreichischen Wirtschaft wie Banken, Versicherungen und die Energiewirtschaft mehrheitlich in österreichischem (nicht notwendigerweise Staats-) Eigentum, oder mehrheitlich in ausländischem Eigentum sind. Viele, darunter auch viele wohlmeinende Freunde, haben das als nicht mehr zeitgemäßen Patriotismus belächelt.

Ich nehme an, dass zumindest einigen von Ihnen angesichts des Dramas um das Semperit-Reifenwerk in Traiskirchen das Lachen vergangen ist. Hier zeigt ein ausländischer Eigentümer - der deutsche Conti-Konzern - welchen Stellenwert österreichische Interessen oder die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung im Vergleich zum Shareholder Value (den Rendite-Überlegungen der Aktionäre) in einem "think global"-Konzept haben: Absolut keinen. Natürlich kann auch ein österreichischer Mehrheitseigentümer einen Betrieb nur aufrecht erhalten, wenn das wirtschaftliche Ergebnis nachhaltig positiv ist. Internationale Konzerne wie Conti verlagern die Produktion aber bereits, wenn sie anderswo auch nur eine Spur rentabler ist.

Und dafür hat Conti mit dem Konzept "cash, carry & close" intensiv gesorgt: Seit der Übernahme 1984 (um vergleichsweise lächerliche 440 Millionen Schilling) wurden nicht nur Millarden Schilling an Dividenden herausgezogen, sondern schon bald die erstklassige Forschungs- und Entwicklungsabteilung in die Konzernzentrale nach Hannover verlagert. Dann wurde ein Teil der Produktionsanlagen in Billiglohnländer übersiedelt. Dank der Einschulung durch erfahrene Facharbeiter aus Traiskirchen stimmt dort mittlerweile die Qualität. Folgerichtig sagt man ihnen jetzt "Tschüss!"

Ob die Rechnung von Conti aufgeht, wird sich zeigen. Denn es wird keiner Boykott-Aufrufe bedürfen, dass die österreichischen Autofahrer künftig einen großen Bogen um die Marken des Conti-Konzerns machen werden. Die Österreicher haben zu "ihren" Semperit-Reifen eine starke emotionale Bindung, die sich in dem hohen Marktanteil von 40 Prozent ausdrückt, und fühlen sich durch die Vorgangsweise des deutschen Conti-Konzerns zutiefst gedemütigt.

Der Autor ist Generalsekretär des ÖAMTC und Wirtschaftspublizist.

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