Terror der Orthographie

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Der Herbst kommt, und die Schüler dürfen wieder zittern: Aus ist es mit der Übergangsfrist zwischen alter und neuer Rechtschreibung, ß oder ss - das kann jetzt wieder über die Deutschnote entscheiden. Aber gleichzeitig lesen die Schüler Zeitungen und neu erscheinende Bücher in der alten Rechtschreibung und können sehen: mit dieser verunglückten Reform werden sie ganz allein geplagt.

Und die besondere Groteske: Über etliche Fragen bezüglich Zusammen- oder Getrennt-Schreibung ist sich die hehre Reformkommission noch nicht einig, da gilt weiterhin eine Übergangsfrist. Daraus haben Bayern und Nordrhein-Westfalen die einzig vernünftige Konsequenz gezogen: Sie bleiben bei der generellen Übergangsfrist, bis alles geklärt ist. Die anderen deutschen Bundesländer, Österreich und die Schweiz blöken in Herdenmanier: Etappenziel erreicht, aus mit der Liberalität.

Was an der Reform missglückt ist, wurde auch in der Furche mehrmals dargestellt. Warum es zu spät ist, um einfach zur schlechten alten Rechtschreibung zurückzukehren, auch. Österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben ein Manifest unterzeichnet, dass sich der Staat ganz aus der Normierung der Sprache heraushalten soll (siehe das Statement von Julian Schutting, Seite 13). Koordiniert wurde der Protest von der "Schule für Dichtung" - genau drei Tage vor Ende der Übergangsfrist: ein absurder Termin, der den Erfolg schon selbst ausschließt.

Keine Frage: Rechtschreibung muss normiert werden, sonst kann man die Wörterbücher gleich verheizen. Aber da die Staaten Schriftsteller und Medien zum Glück nicht mehr zur Annahme der Reform zwingen können, ist jede Normierung von oben ohne breite Akzeptanz sinnlos. Außer man will Schüler pisacken. Die werden nämlich bestraft, während amtliche Bescheide auch in falscher Orthographie gültig sind.

cornelius.hell@furche.at

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