Und mittags dann zu Sozialonkel B. Marin

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Dass im Rahmen des Expertenberichts zur "Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems" die beitragsfreie Mitversicherung thematisiert wurde, ist zunächst einmal legitim. Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch zum "Selbstschutz" von Frauen, für die ein eigenes Erwerbseinkommen und eigene soziale Absicherung nicht nur zur Selbstverwirklichung, sondern vor allem im Scheidungsfall existentiell notwendig sein kann.

Was aber, wenn Betreuungspflichten vorliegen? Der Expertenbericht schlägt für diesen Fall den beitragsfreien krankenversicherungsrechtlichen Schutz vor, wenn diese Aufgaben im "Interesse der Allgemeinheit" liegen. Das wirft aber die grundsätzliche Frage auf, wie das Allgemeininteresse festgestellt werden kann, denn auch wenn man etwa Kinderbetreuung und -erziehung als Legitimationsgrundlage akzeptiert, bleibt offen, bis zu welchem Alter des (jüngsten) Kindes eine Anspruchsberechtigung gelten soll.

Hier hat sich nun der Sozialforscher Bernd Marin zu Wort gemeldet, und festgestellt, dass "ab dem 7. Lebensjahr des Kindes keinerlei Berechtigung mehr für eine Mitversicherung" bestehe und nur mehr eine "Subventionierung der Hausfrauentätigkeit" erfolge.

Nun ja - vielleicht weiß Bernd Marin allerhand über die Interessen der (welcher?) Allgemeinheit. Ob er viel über die Interessen von Kindern und Müttern weiß, darf bezweifelt werden, und das österreichische Schulsystem scheint er auch nicht zu kennen. Volksschüler etwa haben kaum Nachmittagsunterricht und im übrigen mittags Hunger - und von einer Vollversorgung Österreichs mit Ganztags-, Tagesheimschul- und Hortplätzen für Kinder im Pflichtschulalter (mit Mittagstisch) kann keine Rede sein. Abgesehen davon, dass ganztägige außerhäusliche Betreuung vielleicht auch nicht im Sinne aller 7- bis10jährigen Kinder (und darüber hinaus!) sein muss. Die Kosten bzw. der Zuschussbedarf für solche Einrichtungen übersteigen bei weitem nicht nur die Sozialversicherungsbeiträge, sondern auch das erzielbare durchschnittliche Fraueneinkommen.

Und wenn auch die Zahl der Halbtags- bzw.Teilzeitarbeitsplätze im Steigen begriffen ist - gerade im mit Kindertagesstätten unterversorgten ländlichen Raum fehlen diese oftmals. Und leider fehlen in zunehmendem Maße - aufgrund wachsender Frauenerwerbstätigkeit und späterem Pensionseintritt - auch die Großmütter, die bisher vielfach die einzige Chance darstellten, Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen.

Die einzige Lösung dieses Dilemmas wird sein, dass alle unversorgten über sieben Jahre alten Schulkinder mittags von Sozialonkel Bernd Marin abgefüttert und am Nachmittag schulaufgabenbetreut werden.

Und ein kleines Freizeitprogramm am frühen Abend wird ihm schon auch einfallen - lustige Ideen hat er ja ...

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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