"Wir brauchen mehr Aufsicht"

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Anton-Rupert Laireiter, Psychotherapieforscher an der Universität Salzburg, über die Wirksamkeit und Qualität von Therapien.

Die Furche: Wie gut ist die Wirksamkeit von Psychotherapie erforscht?

Anton-Rupert Laireiter: Grundsätzlich gehört die Psychotherapie zu jenen Leistungen des Gesundheitswesens, die am meisten beforscht sind. Das große Manko besteht darin, dass diese Fülle an Studien sich nur auf wenige der 20 in Österreich zugelassene Methoden beziehen - etwa die Psychoanalyse, die Verhaltenstherapie, die klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers, die systemische Therapie und die Gestalttherapie. Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Studien unter experimentellen Designs, also in Lehr- und Forschungskliniken gemacht werden. Die Praxisforschung ist dagegen marginal. Nur hier kann aber nachgewiesen werden, wie Psychotherapie im Therapie-Alltag funktioniert.

Die Furche: Was ist zum Gelingen einer Psychotherapie maßgeblich?

Laireiter: Man weiß, dass die Psychotherapiemethode als solche gar nicht so viel von der Wirksamkeitsvarianz abschöpft. In der Praxis sind andere Faktoren maßgeblicher, nämlich die Person des Klienten, seine Motivation, seine intellektuellen und psychosozialen Ressourcen. Das macht Psychotherapie oft schwierig, weil viel Zeit zur Ressourcenarbeit verwendet werden muss und "echte" psychotherapeutische Arbeit oft nur punktuell möglich ist. Ebenso wichtig ist die Person des Klienten, sein Ausbildungsstand und seine Fähigkeit, eine tragfähige Beziehung aufzubauen.

Die Furche: Kann man diese Kompetenzen überhaupt lernen?

Laireiter: Das ist eine heikle Frage: Die Persönlichkeit muss man wohl mitbringen, bestimmte Methoden können gelernt werden.

Die Furche: Wie groß ist das Risiko, dass Psychotherapien scheitern?

Laireiter: Man weiß, dass - wie in einer Gaußschen-Normalverteilung - ein kleiner Prozentsatz der Therapeuten sehr effektiv ist, ein Großteil mittelmäßig arbeitet und wieder ein kleiner Prozentsatz die meisten Schwierigkeiten produziert. Wie man nun die Guten herausfindet, ist die Gretchenfrage - aber das ist bei den Medizinern nicht anders.

Die Furche: Wie groß ist das Problem sexuellen Missbrauchs?

Laireiter: Das ist sicher ein Problem, wenngleich persönliche Abwertungen oder Beziehungserpressungen häufiger sind. Die Frage ist: Wo endet die therapeutische Intervention und wo beginnt der Missbrauch? Manchmal ist ja eine Umarmung ein wichtiger Wirkfaktor. Trotzdem hängt das Damoklesschwert des Missbrauchs darüber.

Die Furche: Wie steht es in Österreich um die Qualitätssicherung?

Laireiter: Derzeit fehlt hier der politische Wille. Wenn der Einzeltherapeut sich der Qualitätssicherung verschreibt, ist das eine honorige Geste, aber sie vermag nicht flächendeckend Qualität zu sichern. Es fehlt nicht nur eine Therapeutenkammer, sondern auch eine strenge staatliche Fachaufsicht. Es gibt zwar den Psychotherapiebeirat als Kontrollinstanz, aber der hat nur beratende Funktion.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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