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Ausgangspunkt Technik: Von der Spule zum Gemalde

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Ich werde von meinen zu malenden Gegenständen gefunden, nachdem ich nach ihnen Ausschau gehalten habe.” Dies teilt uns die Malerin Nicoletta Dermota mittels einer ihrer Tafeln mit, die sie zwischen ihren Werken in ihrer Ausstellung „U3 - Technik - Kunst” plaziert. Sie reflektiert damit die Beziehung zu ihren Bildern und zu ihren Objekten, die scheinbar, doch nur scheinbar, aus einer der Kunst fremden Welt stammen, nämlich aus der Welt der Technik.

„Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”, Walter Benjamins Studie, stellt Nicoletta Dermota gleichsam auf den Kopf. Denn ihre Arbeiten verbildlichen die umgekehrte Version der Benjaminschen Studie, die Dermotas Werk gemäß „Das Werk der Technik im Zeitalter seiner künstlerischen Reproduzierbarkeit” heißen könnte.

Schrauben, Schweißnähte, Drähte, Lampenfassungen, Drehgestelle Temperaturfühler und sogar Türklinken sind die Objekte der Künstlerin. Ihre Bilder strahlen in kräftigem Rot, fast giftig leuchtendem Grün und wässerigem Blau. Zuweilen scheinen sie sich auch in zarten Pastelltönen im Hintergrund zu halten, was ihnen aber nicht gelingt. Denn irgendwo gibt es einen Punkt, eine Farbkombination, oder Linien, die den Blick des Passanten auf sich ziehen und sich so, trotz oder vielleicht gerade durch ihre Bescheidenheit, behaupten können. Die sichere, selbstbewußte Linienführung ist dabei ein Markenzeichen der Künstlerin, dem sich kaum ein Betrachter entziehen kann.

Nicoletta Dermota, in Florenz geboren, übersiedelte 1963 nach Wien, wo sie die künstlerische Abteilung der Textilfachschule besuchte. Im Laufe der darauffolgenden Jahre wechselte sie zur Malerei. Mittlerweile kann Nicoletta Dermota, Mutter von vier Kindern, auf zahlreiche Personalausstellungen in Wien, Salzburg, Rom, Paris, London und New York zurückblicken.

In der U 3 Station Erdberg fügen sich die ausgestellten Werke anmutig in das Ambiente des Kundenzentrums der Wiener Linien. Funktionelle Gegenstände aus dem Bereich der Technik stehen im Mittelpunkt. Einige

Modelle sind neben den Bildern aufgestellt. Damit braucht der Betrachter das Bild nicht erst in seinen realen Zustand zurückverwandeln, sondern kann so den Weg, etwa von einer Notbremse zum abgebildeten Objekt, nachvollziehen.

Was die Künstlerin an diesen Gegenständen fasziniert? „Ich bin ein technischer Mensch, mein Vater war bei der Eisenbahn und hat mich bereits als kleines Kind auf alle Bahnhöfe mitgenommen.” Auch ihr Mann ist Techniker, er bastle gern. Die Gegenstände, die ihren Blick festhalten, sind technische Objekte. „Maler haben immer schon ihr Umfeld gemalt

- daher Technik”. Dies steht auf einer der Tafeln, deren Mitteilungen in der Handschrift der Künstlerin abgefaßt sind. In einer Zeit, in der das gedruckte Wort zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wählt eine Künstlerin, die sich fast ausschließlich mit Technik auseinandersetzt, zur Vermittlung ihrer Gedanken die eigene Handschrift. Der Verzicht auf technische Hilfsmittel und deren Verarbeitung in der Kunst stellen in der Ausstellung eine Besonderheit dar, die zum Nachdenken anregt.

Dermota demonstriert, daß Kunst und Technik eine enge Beziehung verbindet. Sie zeigt, welche Ästhetik in den Details von komplizierten Maschinen verborgen sein kann, vorausgesetzt, man betrachtet sie auch. Doch mit naturalistischen Abbildungen gibt sich die Malerin nicht zufrieden: „Der Ausgangspunkt Technik läßt mit seinen klaren, einfachen Formen ungeahnt viel Spielraum für meine Fantasie.” Nicoletta Dermota lehrt uns das Schauen neu. Sie zeigt uns, daß unsere Umwelt es wert ist, betrachtet zu werden, auch wenn sie eine technische ist.

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