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Der Weg nach vorne

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In der Galerie Würthle, Wien I, Weihburg- gasse 9, stellt sich ein Geheimtip vor, dessen Namen man schon oft nennen hörte und von dessen Arbeiten man bisher noch keine genaue Vorstellung hatte:Johannes Avramidis. Bisher sah man Werke von hm nur gemeinsam mit anderen seiner Generation; lies ist seine erste Kollektivausstellung. Sie umfaßt icht Plastiken sowie 43 Malereien und Graphiken, n der Hauptsache graphische Studien.

Johannes Avramidis ist heute 3 5 Jahre. Er wurde n Batoum, Rußland, geboren, wo er auch zwei Jahre ang, bis 1939, die Staatliche Kunstschule besuchte. Dann lebte er vier Jahre lang in Athen, seit 1943 in Wien Seit 1945 studiert er auf der Akademie der bildenden Künste in Wien, zuletzt, seit 195 3, bei Professor Fritz Wotruba.

Ebensowenig Sensationelles wie an seinem Lebenslauf ist an seinen Arbeiten. Wer sich unter einem Geheimtip ein Genie alter Ordnung, einen großen Außenseiter, erwartete, wird bitter enttäuscht sein. Und doch gehört die Ausstellung Avramidis zu den wesentlichsten und interessantesten der letzten Zeit. Nicht um des Temperamentes oder der Eigenart ihres Urhebers willen, sondern weil sie geeignet ist, der Kunst überhaupt den Weg nach vorne zu weisen. Avramidis gehört mit den Malern Josef Mikl und Maria Laßnig und dem Bildhauer losef Pilihofer zu der kleinen Gruppe junger Künstler in Oesterreich, von denen eine Weiterentwicklung der Kunst um die Jahrhundertmitte erwartet werden darf, die Bahnung eines Weges, der dann für viele gangbar wird.

Die grundlegende Erkenntnis, die allen diesen Künstlern gemeinsam ist, ist das Wissen, daß die Kunst als solche etwas objektiv Existentes ist: daß es nicht darauf ankommt, selber möglichst viel oder Bedeutendes an Kunstwerken zu verwirklichen, sondern nur an der richtigen Stelle zu arbeiten. Das Schaffen von Kunstwerken ist der Arbeit in einem Steinbruch vergleichbar geworden: nicht die Menge und Größe des abgesprengten Materials entscheidet, sondern die Tatsache, daß man überhaupt im Steinbruch (und nicht am heimatlichen Sandhaufen) arbeitet und — vielleicht — einmal auf erzhaltige Adern stößt, die andere dann ausbeuten können.

Avramidis hat mit Robert Musil (was hier für Kunst gesagt wurde, -gilt analog auch für die Dichtung) die Leidenschaft zur Präzision, zur Genauigkeit gemeinsam. Er ist unterwegs zu einer Kunst, die nicht durch ihre Erscheinung überwältigen, sondern im Ganzen wie im Detail überprüfbar sein soll. Es geht ihm nicht — oder heute noch nicht — um einige gültige Werke, sondern er will die Aufgaben, die er sich gestellt hat, prinzipiell lösen, und das heißt: ein für allemal. Die Sinnlichkeit der bildenden Kunst soll zur Deckung gebracht werden mit der objektiven Ordnung der Geometrie. Gültige Formen und Strukturen müssen gefunden werden, die Malerei und Plastik in sich selbst verfestigen und ihrer Gestalt Dauer geben. Kunst soll richtig sein. (Hier liegt, der einzige Einvyand gegen eine zu asketische Befolgung der beschriebenen Doktrin, den Paul Klee in den wunderbaren Satz: „Kunst geht an der letzten Richtigkeit vorbei”, zusammenfaßte; die Einsicht nämlich, daß die Vielfalt der Erscheinungen der Welt letztlich immer über jedes Ordnungssystem triumphieren wii;d.)

Johannes Avramidis verwendet konsequent die Ellipse als Ordnungsprinzip seiner vielen graphischen Studien, die vielfach als Vorstudien zu Skulpturen aufgefaßt werden dürfen. Insbesondere im Rundtanz der griechischen Hirten ist die elliptische Bewegung ganz mit dem Inhalt verschmolzen. Von den Plastiken erscheint uns vor allem die mutige Bronzestudie (Nr. 5) gestaltschaffend. Die Bronje „Weibliche Figur” wird von Elementen seiner Baumstudien umschlungen und scheint so unlösbar im Boden verwurzelt.

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