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Ein Leuchtturm der geistigen Freiheit

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Sie spannen komplizierte Rastersysteme über den Meeresgrund, um die Position jedes gefundenen Gegenstandes zentimetergenau erfassen zu können. Sie kartographie-ren versunkene Städte und lassen sie auf den Bildschirmen ihrer Computer naturgetreu wieder erstehen. Die Unterwasserarchäologie ist der jüngste Zweig der Archäologie und die Ün-terwasserarchäologen müssen nicht nur eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung mitbringen, sondern auch Sportlichkeit, Kondition,technische Fähigkeiten und eine Portion Abenteuerlust. Die Entdeckung des versunkenen Alexandria ist wohl der bisher spektakulärste Erfolg dieser jungen Wissenschaft. Sie verschaffte 1995 allen daran mehr oder weniger stark Beteiligten ein gewaltiges Medienecho und es gab, vornehm ausgedrückt, einige Unstimmigkeiten. Nun kann man das wissenschaftliche Großereignis anhand eines Bildbandes mit 150 Farbaufnahmen des Grabungsteams nachvollziehen.

Daß sich in unmittelbarer Nähe des modernen Alexandria auf dem Meeresgrund antike Statuen und Baureste befanden, war schon seit 1961 bekannt. Ohne Rücksicht darauf wurden genau dort große Betonblöcke als Wellenbrecher versenkt. Als Jean-Yves Empereur und sein französischägyptisches Grabungsteam im Oktober 1995 den Torso einer wunderbaren weiblichen Figur bergen konnten, war der notwendige politische Konsens erreichbar, die Betonblöcke 1996 zu heben, in sicherer Entfernung von den Fundstätten wieder zu versenken und die Küste vor Alexandria bis zur libyschen Grenze als archäologisches Grabungsgebiet auszuweisen.

Das Buch von William La Riehe gibt einen Regriff von den Korrekturen am vertrauten Bild des antiken Alexandria mit seinen Palästen, die durch die Entdeckung der versunke-nenen Überreste nun fällig werden. Unter anderem konnten die Fundamente und sonstigen Reste des zweithöchsten Bauwerks der antiken Welt nach der Cheopspyramide, des Leuchtturms von Älexandria (bekanntlich eines der Weltwunder), identifiziert werden.

Er stand nicht weniger als 700 Jahre, wurde mit über eine Rampe herbeigeschafftem Holz befeuert und strahlte mittels eines von Archimedes entworfenen großen Spiegels. Er half den Schiffern bei der Orientierung in einem besonders tückischen, durch seine Sandbänke berüchtigten Seegebiet, war aber nicht nur ein Leuchtturm im unmittelbaren Wortsinn, sondern auch symbolisch: Wahrzeichen einer Stadt, die ein Hort der Wissenschaft war und den Gelehrten Freiheit und großzügige Arbeitsbedingungen bot.

Das hochinteressante, opulent illustrierte Buch vermittelt nicht nur die jüngsten, aufregenden Forschungsergebnisse über Alexandria, sondern auch etwas von der Faszination der Unterwasserarchäologie. So spannend es geschrieben ist, so nüchtern und brauchbar ist der Apparat - ein Sonderlob gebührt der Zeittafel zur Architekturgeschichte.

ALEXANDRIA - Dil VERSUNKENE STADT. Von William La Riehe. Verlag Piper, München 1996. 1)6 Seilen, viele Bilder, Ln, öS 498,-

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