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Hopper brachte eine Saite zum Schwingen

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Beim Blick in die Auslagen von Buchhandlungen fallen sie uns auf - die Bilder von Edward Hopper auf den Schutzumschlägen. Wenn wir ihn kennen, ist er unverkennbar: Diese einsamen Hopper-Menschen, diese stilisierten Hopper-Häuser, diese großflächigen, bleichen Hopper-Himmel.

Ebenso wie Plakatkünstler müssen auch die Buchausstatter erreichen, daß sich beim Beschauer emotional etwas rührt. Aber was ist es, das Hopper mit seinen Bildern anrührt? Welche Saite bringt er zum Schwingen? Gilt er nicht als typisch amerikanischer Maler - wieso dann seine Popularität in unseren Landen?

Zwei weitere Indizien für seine Wirkung: Ein deutscher Verlag, der bereits so manches Kultbuch lancierte, nahm einen schwergewichtigen, dreibändigen, teuren, in den USA erschienenen Hopper-Werkkatalog (mit CD-ROM!) in der Originalausgabe, also auf Englisch, in sein»Ver-lagsprogramm auf und bewirbt ihn mit Engagement. Was macht den Maler Amerikas außerhalb Amerikas so interessant? Anhand des Werkka-taloges können wir dem nachgehen.

Hopper fasziniert, zweites Indiz, auch seine europäischen Malerkollegen, sonst hätte nicht schon vor einem Jahrzehnt der Österreicher Gottfried Heinwein das Bild „Nighthawks" aus dem Jahr 1942 unter dem Titel „Boulevard der zerbrochenen Träume" auf einem Plakat paraphrasiert.

Edward Hopper verfügte, abgesehen von einem starken zeichnerischen und malerischen Talent, über eine besondere Begabung zur Stilisierung. Zur großen Linie. Zu einer Vereinfachung, die nicht mit einer Verarmung der Wirklichkeit einherging.

Er malte Ausschnitte der Wirklichkeit mit Signalcharakter. Seine Landschaften, seine Häuser sind archetypisch. Keine Haus- und Landschafts-Individuen, sondern Typen.

Aber die stärkste Wirkung geht nicht von den Landschaften und Häusern aus, die er malte, sondern von den Menschen. Hoppers Menschen sind die Zivilisationsmenschen schlechthin: Vereinsamte, Gesichtslose, Wartende. Das Warten aber war für Edward Hopper gleichbedeutend mit dem Tod.

Es kann wohl kein Zweifel daran bestehen, daß die Traurigkeit, die so-viele seiner Bilder ausstrahlen, schon in Hoppers Charakter angelegt war. Gail Levin hält es aber zumindest für sehr wahrscheinlich, daß ihn seine Lebenssituation darin zumindest sehr bestärkte.

Edward Hopper galt als hochbegabter Kunststudent und dürfte nach seiner Ausbildung mit hochgespannten Erwartungen ins Leben hinausgetreten sein. Doch die langjährige Erfolglosigkeit, die ihm dann beschieden war, wirkte auf ihn in zunehmendem Maß deprimierend. Mehrere Gruppenausstellungen, an denen er teilnahm, führten weder zu einer Erwähnung durch die Kritik noch zum Verkauf eines Bildes.

Hopper wurde am 22. Juli 1882 geboren. Er war also bereits 31 Jahre alt, als er 1913 zum ersten Mal ein Gemälde verkaufen konnte - es war das 1911 entstandene Bild „Sailing". Doch dieser Verkauf wurde nirgends erwähnt und zog keinen weiteren nach sich. Ein volles weiteres Jahrzehnt verging ohne Verkäufe.

Er hielt sich in dieser Zeit hauptsächlich als mittelmäßig bezahlter Illustrator über Wasser - eine Tätigkeit, die er, gelinde gesprochen, nicht liebte.

Seine drei Aufenthalte in Frankreich und die französischen Inhalte vieler vor dem Ersten Weltkrieg entstandener Bilder erwiesen sich in den USA nicht gerade als verkaufsfördernd. Die Beaktion auf das große Gemälde „Soir Bleu" war so, daß er es nie wieder ausstellte. Es ist eines seiner schönsten Bilder und hängt heute im New Yorker Whitney Museum of American Art, dem es Hoppers Witwe, die Malerin Jo Hopper, mit 2.500 anderen Hopper-Werken vermachte -es war die bedeutendste Schenkung zugunsten des Whitney Museums seit der Stiftung von über 300 Gemälden durch Gertude Vanderbilt Whitney anläßlich der Gründung des Museums.

Hopper war 42 Jahre alt, als endlich eine Ausstellung zum Verkauf von 17 Aquarellen für je 100 Dollar führte, worauf er die Arbeit als Illust rator aufgeben konnte. Langsam, aber sicher begannen seine signalhaften Konzentrate der Einsamkeit, des Wartens, der Anonymität, in immer mehr Betrachtern eine Saite in Schwingung zu versetzen.

Als er am 15. Mai 1967 starb, galt er als amerikanischer Klassiker. Aber das Geheimnis seiner Allgegenwart, seiner Besonanz, liegt zumindest nicht nur in der malerischen Qualität, sondern darin, daß er ausdrückte, was viele Menschen fühlen, und daß dies verstanden wurde und wird.

EDWARD HOPPER WERKVERZEICHNIS A CATALOGUE RAISONNE

Sämtliche Gemälde, Aquarelle und Illustrationen, herausgegeben von Gail Lettin. Schirmerl Mosel Verlag, München 1996; Whitney Museum oj American Art, New York; W.W. Norton & Co, New York. 4 Bände, 1.056 Seiten, 1.500 Illustrationen und Abbildungen, davon 600 in Farbe, CD-Rom mit allen Bildern und kunsthistorischen Daten. Ln., Leinenschuber, öS 6.290,-.

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