"Ich suche Liebe und finde Beton"

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"Dem Eintretenden steht Astrid Kleins verspiegelte, durch Schusslöcher dramatisch durchsiebte und mit einem Hammer malträtierte Kommode fast im Weg."

Lieben": nicht um das, was sich zwischen zwei Menschen abspielt, sondern um den Zustand der Welt geht es Nina Tabassomi. Um das Potenzial, das in der Liebe im weitesten Sinn steckt. Es geht weniger um Zweiheiten, als um Vielheiten, um Verknüpfungen, auch mit vielleicht die Ruhe Störendem. Anhand von vier sehr unterschiedlichen Positionen zelebriert Kunsthallen-Leiterin Tabassomi in der von ihr kuratierten Schau das Thema.

Der Einstieg kommt als dramatischer Abgesang an die Liebe daher. Dem Eintretenden steht Astrid Kleins verspiegelte, durch Schusslöcher dramatisch durchsiebte und mit einem Hammer malträtierte Kommode fast im Weg. Eine Liebe ist da offensichtlich mit vielen Emotionen zu Ende gegangen und in ihren zertrümmerten Resten spiegelt sich auf rätselhaft verzerrte Weise der Ausstellungsbesucher.

Auf den ersten Blick gemütlicher geht es in dem filmischen "kiss-o-drome"(2016) von Johan Grimonprez zu. Ein junges Paar mit Schlittschuhen dreht sich in einem scheinbar die Schwerkraft aufhebenden Tanz vor der eindrucksvollen Kulisse New Yorks der 1920er/30er-Jahre. Die Ästhetik ist entsprechend nostalgisch, wozu der Bossa Nova passt, der dem kurzen Streifen unterlegt ist. In dem von Eduardo Galeano gesprochenen Text geht es allerdings um das in den 80erJahren von der brasilianischen Militärdiktatur auferlegte Verbot des Küssens im öffentlichen Raum. Mit der Konsequenz eines riesigen Kuss-Happenings in der Stadt Sorocaba.

Schwer, die Metaphorik zu erfassen

Die Idee ist durchaus hübsch, doch die in ihr steckende Metaphorik zu erfassen, tut sich der "normale" Ausstellungsbesucher schwer. Das ist weniger tragisch, wenn die präsentierten Objekte allein ihrer Ästhetik wegen so manches hergeben. Das ist bei der komplexen Installation "How surprising that you are you" des Künstlerduos "titre provisoire" der Fall. Mit multimedialen Mitteln werden diverse Varianten des Liebens durchgespielt. Die klassische Mann-Frau-Beziehung wird hier zum psychodelisch inszenierten Endlostanz in slow motion, teilweise aufgeladen mit surrealen Elementen. Das Ende bleibt offen, die Aussage "Ich suche Liebe und finde Beton" ist hoffentlich nur eine Zwischenbilanz.

Um Macht und Ohnmacht, festgemacht am männlichen Blick auf den weiblichen Körper, geht es in fünf Sequenzen aus Astrid Kleins Serie "Broken Heart". Auf große Formate aufgeblasene, teilweise geschwärzte Typoskriptseiten aus Arno Schmidts Hauptwerk "Zettels Traum" sind die Basis dieser mit Fotos von Frauen in lasziven Posen kombinierten Collagen. Wie sehr diese 1980 entstandene Arbeit in einer sich seit damals doch grundlegend gewandelten Welt noch von Relevanz ist, wäre allerdings zu hinterfragen. Im Kontext mit dem Thema der Ausstellung hat die Arbeit allerdings durchaus ihre Berechtigung, geht es doch auch hier um einen Aspekt von Liebe.

Dieser Zusammenhang ist im Video "Raymond Tallis"(2017) von Johan Grimonprez schon schwerer herzustellen. Da sind fabelhafte Bilder auf die Erde vom Weltraum aus zu sehen neben solchen von Tanzenden und jenen der Zerstörung menschlicher Existenzen durch eine urgewaltige Natur. Den Text dazu liefert ein Interview mit dem Philosophen und Neurologen Raymond Tallis, der zur Erkenntnis gekommen ist, dass ich eigentlich nur bin, weil ich mich im Dialog mit anderen befinde.

Eva Schlegels die komplette Hofhalle ausfüllende Installation "Mirroring Stages in Confusion" ist riesig. Die aus 55, von Formrohrrahmen gehaltenen Spiegeln bestehende Raumintervention ist eine Adaption eines Auftragswerks des OÖ Kulturquartiers für das voestalpine open space in 2016. Schlegel verwandelt die Innsbrucker Hofhalle mit ihrer gläsernen Decke in ein labyrinthisches Spiegelkabinett, in dem der Ausstellungsbesucher sich immer wieder selbst begegnet. Die Idee, Räume durch Spiegel scheinbar aufzulösen bzw. ins Unendliche fortzusetzen, ist zwar alles andere als neu, ihr Potential, Menschen jeden Alters zu begeistern, beweist sich aber immer wieder aufs Neue.

Lieben Taxispalais Innsbruck Johan Grimonprez, Astrid Klein, Eva Schlegel, titre provisoire bis 10. Juni www.taxispalais.at

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