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Lacheln vor Ruinen

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Herbst-Ausstellungen' am Kurfürstendamm und am Waldsee

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Herbst-Ausstellungen' am Kurfürstendamm und am Waldsee

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Berlin, Ende Oktober In Berlin sind zur Zeit einige wichtige Gedächtnisausstellungen zu sehen: für Willi Baumeister, für Karl Hofer, für Werner Heidt und Paul Strecker. Daneben noch einiges andere: im Maison de France am Kurfürstendamm eine gemeinsame Ausstellung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft und des. Französischen Instituts: „Japanische Kalligraphie und zeitgenössische Malerei“. Dann in der Kunstbibliothek der Ehem. Staatlichen Museen, am Zoo, eine Auswahl japanischer Farbenholzschnitte des 19. Jahrhunderts: „Die ersten Fremden mit den Augen des Japaners gesehen“. Auf jeden Fall wird dem Kunstfreund augenblicklich mehr geboten als bei uns.

Museen und Galerien haben in West-Berlin zwei Zentren. Einmal im an der PeripHerle gelegenen Dahlem (wo sich auch die Freie Universität befindet), zum anderen im zentral gelegenen Charlottenburg. Dahlem benachbart ist Zehlendorf, das mit seinem „Haus am W a 1 ds e e“ ein ideales Heim für Ausstellungen, Vorträge und dergleichen besitzt. Hier ist jetzt die Willi Baumeister-Gedächtnisausstellung untergebracht (Die „Furche“ berichtete über sie aus Hamburg, als sie dort gezeigt wurde). Man weiß nicht, wem man den Vorzug geben soll: dem Blick aus den Fenstern hinaus in einen herbstlichen Park, in dem von Zweigen verhangen ein See schimmert, oder den spielerischen Formen Willi Baumeisters an den Wänden. Leben und Kunst... — Willi Baumeister, das ist die andere Möglichkeit, abstrakt zu sein. Die erste ist die des „Stijl“: die der strengen Ordnung. Diese andere ist farbig-verspielt, mit heiteren, klar begrenzten Formen, assoziationsreich, vielfältig, wie wir sie von Miro her kennen. „Magie der Form“ heißt ein Büchlein von Baumeister: da wird die Zauberformel ausgesprochen, die die Wirkung seiner Bilder erklärt. Schwanken wir auch zwischen den Bildern im Zimmer und dem See draußen: von den Möglichkeiten, abstrakt zu malen, geben wir ohne zu zögern der von Miro und Baumeister verwirklichten den Vorzug.

Karl Hofer (er selbst signierte seine Bilder: CH) ist die große Gedächtnisausstellung der Hochschule für bildende Künste in Berlih-Charlottenburg gewidmet; sie soll zugleich den großen Lehrer und Direktor dieser Anstalt ehren, unter dessen Leitung sie 1945 neu erstand. Karl Hofer: das ist die große Möglichkeit des Realismus zur Jahrhundertmitte. Das ist — wie bei Beckmann, Barlach, Nolde, Rohlfs — Hingabe an die Wirklichkeit und damit die gerettete Tradition von fünf Jahrhunderten abendländischer Tafelmalerei. Und das ist zugleich der Weg in die Zukunft. Dies war ja die Tendenz, die die heurige Biennale in Venedig mehr als deutlich kennzeichnete: Die Bilderwelt wird wieder gegenständlich, die äußere Welt kehrt wieder ein in die Bilder der Maler. Die Revolution der bildenden Kunst zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts hat den endgültigen Bruch mit der bloßen Abschilderung und Darstellung der Wirklichkeit gebracht: das Wort Realismus hat seither einen neuen Sinn erhalten. Karl Hofer nannte die Fähigkeit, „aus der verwirrenden Vielfältigkeit der Erscheinungen das Eine, das Gültige herauszufinden“: das Prinzip der Selektion. Er bekennt: „Es gibt da Funde, über die der Künstler so glücklich ist wie ein Forscher über eine Entdeckung. Es bleibt dabei unwesentlich, ob diese höchste Form aus der Natur gewonnen und dabei, man merke wohl, das Abbildhafte durchgehalten wird, oder ob das Werk aus innerer Vorstellung entsteht, die aber, um als Kunst zu leben, von Natur gesättigt sein muß“. Von Natur gesättigt sind alle Bilder Hofers, der nackte „Mann in den Ruinen“, die Mädchen und die Masken, der Turmwächter und „St. Martin“ ... — Die Ausstellung in der Hochschule für bildende Künste wird durch zwei kleine Verkaufsexpositionen von Werken Hofert in der Galerie Gerd Rosen (Oelbilder) und der Galerie Schüler (Handzeichnungen), beide am Kurfürstendamm, ergänzt.

Anläßlich ihres zehnjährigen Bestandes gedenkt die kleine Galerie Bremer in der Fasanenstraße zwei ihrer Freunde, die an ihrem Aufbau teilhatten: Werner Heidt und Paul Strecker. Heidt hat in seinen Bildern der späten Jahre — 1951, 1952 etwa — sein Bestes gegeben: vor dem Hintergrund der Ruinen wagt sich ein erstes vertrauendes Lächeln hervor, das Lächeln der einfachen Dinge, die erhalten geblieben sind: Blätter, Obst, vereinzelt eine Schüssel, ein Buch. Lächeln vor Ruinen: das ist überhaupt der Eindruck, den ein kurzer Besuch West-Berlins gibt, seiner großen Straßen und Plätze; indes in Ost-Berlin'■■ die roten Transparente die Ruinen nicht verhüllen können...

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