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Mißbrauchbares Wort

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Das Jüdische Museum Wiens präsentiert als erste Ausstellung des Jahres eine Auseinandersetzung mit einem ideologisch und politisch überfrachteten und belasteten Begriff: „Heimat”. „Heimat - Auf der Suche nach der verlorenen Identität” ist der Haupttitel einer Veranstaltungsserie, die aus der Ausstellung, einem Symposion im Jüdischen Museum und einer umfassenden Filmretrospektive im Osterreichischen Filmmuseum besteht.

Im Museum zeigen 13 Fotografen ihre Heimatbilder, ihre ganz persönliche Sicht von Heimat. Unter anderem sind Fotos von Künstlern wie dem Italiener Flavio Faganello, dem Amerikaner William Eggleston und der Wienerin Lisi Ponger zu sehen. Es handelt sich um sehr unterschiedliche und vielschichtige Interpretationen und Illustrationen eines individuellen Heimatgefühls. Sie versuchen, den rätselhaften Ort Heimat abzubilden und eine Vorstellung davon zu geben, wo Heimat beginnen und enden kann. Ergänzt wird die Ausstellung durch Texte von Dichtern wie Bobert Musil, Ernst Jandl und Wissenschaftlern wie Norbert Elias, die das Terrain literarisch und philosophisch abstecken. Auf diese Weise soll die Widersprüchlichkeit und Vielschichtigkeit des Begriffs Heimat aufgezeigt werden, um Denkanstöße zu liefern. Gerade heute, in einer Zeit, in der weltweit von In- und Ausländern, Einwanderung, Asyl und Heimatlosigkeit die Bede ist, wird auch immer öfter die Frage nach der kollektiven Identität gestellt.

Heimat - was ist das? Handelt es sich um einen Ort, einen Staat, um einen Gedanken, um eine Idee? Heimat ist ein moderner Schlüsselbegriff in einer Zeit, wo Flüchtlingsströme und nationalistische Tendenzen gleichermaßen über die Lande fluten. Heimat bedeutet Zugehörigkeit, beschwört Gemeinschaft und Geborgenheit. Heimat ist die Suche nach Identität und die Sehnsucht, ein unverwechselbares Ich in sozia? ler Geborgenheit zu wissen.

Heimat kann man finden, auch wieder verlieren, vor allem kann mit dem Begriff auch Mißbrauch und Betrug stattfinden. Haben wir überhaupt noch Anspruch auf Heimatgefühle? Ist nicht Heimat überall? Fest steht, daß das kollektive Bewußtsein einer Gemeinschaft deren Heimatbegriff prägt, dieser aber stetem Wandel unterliegt.

Die Kunst liefert Abbilder und Gleichnisse, die das Heimatgefühl einer Epoche interpretieren. Die Ausstellung ist bis 27. März 1995 zu sehen. Von 26. Februar bis 1. März findet im Jüdischen Museum ein Symposion statt, das Filmmuseum zeigt bis 1. März eine Filmretrospektive „Heimat” mit über 80 internationalen Filmen.

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