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Die Kulturhauptstadt 2003 widmet "JoÇze PleÇcnik und Ljubljana" ein Ausstellungsprojekt im Zentrum von Graz.

Graz hat sich für das kulturelle Jubeljahr um eine Hand voll Artefakte erweitert und damit Flair und Image der Stadt gestärkt. In den Fluss bettete man eine silbergliedrige Netzinsel des New Yorker Stardesigners Vito Acconci; am Murufer darüber wird ein blau geblähter Kunsthauskorpus der Briten Peter Cook und Colin Fournier verankert (Eröffnung September 2003). Diese extravaganten Zeichensetzungen im Stadtbild werden mit enormem internationalem Medieninteresse belohnt. Graz war sich aber auch seiner ureigensten Wahrzeichen bewusst und setzte architektonisch auf Verdoppelung. Den Uhrturm verfolgt seither gelungen, wie in einem guten Comic Strip, ein schwarz getarntes Double, entworfen von Markus Wilfling. Der Mariensäule am Eisernen Tor stellte der Medienkünstler Richard Kriesche eine gläserne "Paternostra" zur Seite. Gegen einen geringen Unkostenbeitrag kann man sich nun auf "Augenhöhe Mariens" erheben und einen theokratischen Blick hinab werfen.

Architektur und Stadtbild

Entsprechend zeitverschoben präsentiert sich in den Räumen des Grazer Stadtmuseums Ljubljana, nicht selten mit Graz verglichen, ebenfalls durch die Dualität von Architektur und Stadtbild. Im weiteren Sinne beherbergt das Ausstellungsprojekt JoÇze PleÇcnik (1871-1957) und seine Heimatstadt Ljubljana. Das Architekturmuseum Ljubljana und der Wiener Architekt Boris Podrecca gestalteten diesen Stadtspaziergang entlang JoÇze PleÇcniks Bauten. Es ist die dritte Personale (nach Wien und Paris), die Boris Podrecca der faszinierenden Persönlichkeit und der Baukunst PleÇcniks widmet. Bewusst verzichtete dieser in der Grazer Ausstellung auf "statische Ikonen der Architektur" (Fotografien) und verleitet den Besucher, andere Wege zu gehen. Es geht um die Spannung zwischen den auf Papier gebannten architektonischen Skizzen und dem Gebauten. Genauer: um jene "hamletsche Handlung" des Architekten, wie es Boris Podrecca formuliert, die die Neugierde weckt auf Verwirklichtes. Konzeptionell springen Realität und Virtualität ineinander über.

Aura des Originalen

Ähnlich einem Stadtplan breitet sich Ljubljana über rund 400 m2 Fußboden aus. Der Besucher bewegt sich auf den Straßen der Stadt, vorbei an 25 Orten, an denen JoÇze PleÇcnik baute. Dort erheben sich schwarze Minitürme, in denen mittels Videoaufnahmen das reale Bild des Gebäudes eingespielt wird. (Jedenfalls war es so, bis die auf Grund von Überhitzung defekten Monitore wieder demontiert wurden.) Der "Ist-Zustand" der Stadt setzt sich an den Wänden, die von Vitrinen unterbrochen werden, fort, in denen JoÇze PleÇcniks Originalzeichnungen bzw. -objekte gezeigt werden. Dem Genie JoÇze PleÇcnik versucht die Schau unter anderem durch Rekonstruktion seines Schlaf- und Arbeitszimmers in Trnovo habhaft zu werden. Die Aura des Ambientes scheitert seltsamerweise am Hut: neben einigen Utensilien liegt JoÇze PleÇcniks (original?) schwarzer Hut am Arbeitstisch, den der Meister soeben verlassen haben muss. Eine Fotocollage an der Rückseite des Zimmers zeigt ihn - mit Hut und Mantel bekleidet - beim Hinaustreten. Seine dramatischen und komplexen Entwürfe entziehen sich einer gefälligen Inszenierung. JoÇze PleÇcnik war es wie kaum einem anderen Meister seiner Zunft vergönnt, über Jahrzehnte hinweg das Angesicht seiner Heimatstadt zu prägen. Aber auch in anderen Städten setzte er bauliche Akzente: In Wien etwa mit dem Palais Zacherl (1903-1905), dem Karl Borromäus-Brunnen (1906-1909) und der Heiliggeistkirche in Ottakring (1910-1912), einer der ersten Eisenbetonkirchen in der damaligen Donaumonarchie. Prag verdankt seiner architektonischen Baukunst die Umgestaltung des Hradschin.

Spielplätze des Lebens

JoÇze PleÇcnik setzte starke bauliche Akzente in der Nachfolge seiner Grazer und Wiener Lehrer Leopold Theyer und Otto Wagner. Seine Architektur wurde zu einer zentralen Position, die parallel zum favorisierten Funktionalismus verlief, dessen Handschrift Meister wie Walter Gropius, Le Corbusier, Alvar Aalto und andere hinterließen. JoÇze PleÇcniks professionelle Karriere in seiner Heimatstadt reichte etwa von 1920 bis zu seinem Tode im Jahr 1957. Seine Baukunst war stets kontrovers; ein klassizistischer Modernist mit ambivalenten Gefühlen. Die lebendige Gestaltung der Ausstellung verführt auf wunderbare Weise, sich dieser zu stellen. JoÇze PleÇcniks Schaffen stärkt bis heute wie eine Art Rückgrat die Stadt: vom höchst sakralen Objekt, dem Tabernakel, bis zum profansten Gegenstand, einem Kerzenleuchter, von den Spielplätzen des Lebens (Fußballstadion 1925-1941) bis zu den Toren des Todes. Sein Friedhofskomplex ÇZale (1937- 1940) zählt zur bedeutendsten Friedhofsarchitektur des 20. Jahrhunderts in Europa. 12 PleÇcnik-Kelche begleiten die Nekropole. "Wenn wir im Leben nicht die Tür zur Schönheit finden, werden wir die Schwelle der Schönheit in der Ewigkeit niemals überschreiten", notiert JoÇze PleÇcnik um 1923. Formal gelang es, die Schönheit in Fassaden zu bannen. Wie ein Jongleur begriff er das Spiel mit Formen, Details, Geländer und Säulen. Er definierte mit dem Bau unzähliger Kirchen eine neue Qualität des Kirchenbaus, insbesondere mit der eingeschossigen Kirche St. Michael in Barje (1937-1940). Zu seinen bedeutendsten Werken zählt die National- und Universitätsbibliothek (1936-1941) und die Gestaltung des Flussgebietes.

Das Absolute erreichen

Betrachtet man das Modell der "Drei Brücken" (Tromostovje 1929-1932), zeigt sich der Architekt ganz der Kategorie "ästhetische Funktionalität" verschrieben zu haben. JoÇze PleÇcnik bewahrte damals die bestehende Brücke (Franziskaner-Brücke) und legte ihr zur Seite zwei Fußgängerbrücken. Heute lobt man seine visionär architektonische "Weichenstellung", motorisierten Verkehr und Fußgänger getrennt zu führen.

Ein grundlegender Gedanke seiner Planungsphilosophie war der Wunsch, seine Heimatstadt als Zentrum einer nationalen, politischen, religiösen und intellektuellen Kultur zu würdigen. Sein Bedürfnis, "das Absolute in seiner Kunst und Architektur zu erreichen", liegt dem Konzept Ljubljana als "neues Athen" zu Grunde: die Umplanung der mittelalterlichen Burg zur Akropolis des Norden. Dieser Versuch - "ewige Zukunft" zu beherbergen, blieb ein skizzierter Vorschlag JoÇze PleÇcniks. Mit einer kolonnadenartigen Anordnung von Stühlen und einer sich scheinbar verbergenden Ausstellungsattraktion, der Originalmaquette von PleÇcniks slowenischem Parlament (1947) schließen sich die Tore des "weißen Ljubljana", wie sie Le Corbusier nannte.

JoÇze PleÇcnik und Ljubljana

bis 30.03.2003

Stadtmuseum Graz/Sackstraße 18

Di 10-21 Uhr, Mi-So 10-16 Uhr

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