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Spiegel der Zeit

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Plakate sind mehr als Aufforderungen, dies zu tun oder jenes zu unterlassen. Plakate sind nicht nur an den Augenblicksadressaten gerichtete Informations- und Kommunikationsmittel, sie sind auch Spiegel ihrer Zeit. In diesen großen und kleinen, mehr und minder bunten, an Wänden, Tafeln, Säulen, Fahrzeugen oder sonstwo befestigten Papieren kommt die Geisteshaltung eines bestimmten Zeitabschnittes zum Ausdruck. Die Plakate repräsentieren die geistige Grundsubstanz ihrer Zeit.

Die von Albert Massiczek in Zusammenarbeit mit Hermann Sagl herausgegebene Sammlung „Zeit an der Wand“ (Europa-Verlag, Wien 1967, 171 Faksimilewiedergaben mit 20 Seiten Text und 32 Seiten Bilderläuterungen, S 390.—) umfaßt die Geschichte des österreichischen Plakates von 1848 bis 1965.

Zunächst beherrscht das Wort die Plakate, erst allmählich muß es dem Bild Platz machen. Die Plakate entsprechen jetzt dem Kunstgeschmack ihrer Zeit. Der Makartstil wird vom Jugendstil abgelöst, und Toulouse-Lautrec, der in Paris die Verbindung von Kunst und Kunstgewerbe verkörpert, beeinflußt auch die österreichischen Plakate. Die Plakatdokumente aus der Ersten Republik sind die eindrucksvollsten der Sammlung. Sie zeigen, wie gewaltig der geistige Abstand ist, der uns von den Ereignissen dieser Vergangenheit trennt. Die wilden antisemitischen Ausfälle von Christlichsozialen und die ebenso wilden antiklerikalen Ausfälle von Sozialdemokraten deuten auf die Tiefe des Grabens zwischen den „Patrioten, die keine Demokraten“ und den „Demokraten, die keine Patrioten“ sind. Und während dieser Graben immer tiefer wird, taucht bereits die Kraft auf, die das Vakuum füllen wird. Das Hakenkreuz wird zu dem die Plakate beherrschenden Symbol. Bis das Hakenkreuz über Österreich herrscht. 1945 der neue Aufbruch: Bekanntmachungen des Aliierten Rates; die ersten Nationalratswahlen nach eineinhalb Jahrzehnten; und dann die Normalisier dng der Demokratie mit ihren sich rhythmisch wiederhole; den Wahlkämpfen. Die Demokratie wirl schließlich auf den Plakatwänden zur Normalität, zum Alltag.

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