compartment 6 - © Foto: Polyfilm

„Abteil Nr. 6“: Bekannschaft im Zug

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Walter Gasperi über den neuen Spielfilm „Abteil Nr. 6“ von Juho Kuosmanen.

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Walter Gasperi über den neuen Spielfilm „Abteil Nr. 6“ von Juho Kuosmanen.

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Nicht aussuchen kann man sich in einem überfüllten Zug, mit wem man sich das Abteil teilt. Wenig erfreut ist daher die finnische Archäologiestudentin Laura (Seidi Haarla) über den russischen Minenarbeiter Ljocha (Juri Borisow). Mehrere Tage muss sie nämlich auf der Fahrt von Moskau nach Murmansk, wo sie 10.000 Jahre alte Petroglyphen besichtigen will, mit dem scheinbar ungehobelten und schroffen jungen Mann verbringen.

Vorhersehbar ist zwar, dass sich das ungleiche Duo, das weniger Sprache und Nationalität als vielmehr die soziale Stellung trennt, in Juho Kuosmanens letztes Jahr in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnetem Spielfilm „Abteil Nr. 6“ einander näher kommen wird. Dies tut aber der Wirkung dieser zarten Tragikomödie keinen Abbruch. Beglückend ist einfach, wie der Finne auf engstem Raum von der Dynamik der Beziehung erzählt und die Enge des Abteils immer wieder mit Blicken auf die winterlich-kalte Landschaft und Stopps in desolaten Städten aufbricht.

Charme entwickelt dieser Zugfilm dabei nicht zuletzt durch die Situierung der Handlung im vordigitalen Zeitalter der postsowjetischen Gesellschaft der späten 1990er Jahre. Bedrückende Stimmung evozieren die in verwaschene Grün- und Brauntöne getauchten Bilder, doch dieser Tristesse stellt der 42-jährige Finne die menschliche Wärme gegenüber, die sich in seinem lakonischen Kleinod langsam entwickelt. Die äußere Bewegung korrespondiert dabei bestechend mit der inneren Bewegung der Figuren, mit deren Öffnung und Annäherung auch langsam das Licht wärmer wird und am Ende ein befreites Lachen stehen kann.

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