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Bewegung im Maghreb

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Am gleichen Tag, da Zehntausende von Schülern johlend und demolierend durch die Großstädte des königlichen Marokko marschierten und dabei Arbeitslose sowie sonstige Elende aus den Vorstädten, schließlich auch Gewerkschafter nach sich zogen, bewegten sich ebenfalls tausend ausgelassene Menschen —• gleichfalls Gewerkschafter und Volk — in der Abenddämmerung durchs sozialistische Algier in Richtung Präsidentenblock, tanzend, singend, frenetisch klatschend. Die beiden mehr oder weniger spontanen Volkskundgebungen hatte zwar verschiedene Anlässe und Ziele, wurden jedoch vom gleichen Element getragen: den breiten Massen Nordafrikas, die von der Unabhängigkeit besseres Leben erwarten. Marokkos Demonstranten meuterten gegen den Staat, die algerischen glaubten, von ihrem auf den richtigen Weg gebracht zu sein. Algeriens Staats- und Einheitsparteichef Benbella hatte den ungefügen Drang in sein revolutionäres System „von oben“, auch „sozialistischer Avantgardismus“ genannt, kanalisiert, König Hassan von Marokko seine Unzufriedenen nur eingeschläfert. Während Marokkos Lumpenproletariat — von den wegen beschränkter Studienmöglichkeiten erbosten Oberschülern unwillentlich auf die Straße gelockt — das marokkanische Herrschaftsge-füge einschließlich einer relativ saturierten Gewerkschaft in Gefahr brachten, kamen die syndikalistischen Anführer der Demonstranten in Algier von der soeben „im Interesse der Massen“ erwartungsfreudig beschlossenen Unterwerfung unter eine algerische „Diktatur des Proletariats“.

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