D. Copperfield

"David Copperfield": Dickens einmal schrill, frech und flott

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Brigitte Schwens-Harrant über eine äußerst gelungene Romanverfilmung.

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Brigitte Schwens-Harrant über eine äußerst gelungene Romanverfilmung.

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Wer sonst skeptisch ist, wenn Figuren in historischen Kostümen auftreten, den wird dieser David Copperfield sofort überzeugen. Spätestens bei Tilda Swintons rasantem Auftritt als Tante Betsey wirbelt jeder Staub davon, so temporeich und witzig beginnt diese Verfilmung des berühmten Romans von Charles Dickens. Auch der Gefahr peinlicher Historisierung begegnet Regisseur Armando Iannucci klug: David Copperfield, der nun erwachsene Schriftsteller, liest im Theater aus seinem Leben vor. Figuren und Handlung treten dann sozusagen aus diesem Buch.

Dieser Rahmen erlaubt die Darstellung als Spiel, aber auch die Unterteilung der Handlung in einzelne Kapitel, was wohl beim Ordnen des Stoffes half (der Roman erschien 1849 bis 1850 in Fortsetzungen). Die eingestreuten Texte lenken aber auch den Blick auf das Wort, die Sprache – und das lohnt bei Dickens immer, der spritzig und satirisch schrieb. In seinen Romanen erzählte Dickens viel über die sozialen und sozialpolitischen Zustände seiner Zeit, er wetterte gegen Gewalt an Kindern, Ausbeutung und Armenhäuser. Die düstere Thematik färbte auf viele Verfilmungen ab. Diese ist anders, sie ist schrill, frech und flott – selbst wenn gestohlen oder zwangsgeräumt wird.

Das verschiebt freilich das Augenmerk weg von der sozialen Studie hin zu einer gelungenen Komödie, gespielt von grandiosen Schauspielern, die unabhängig von Herkunft und Hautfarbe ausgewählt wurden. (Wenn daran etwas irritiert, kann man das sogleich einer kritischen Selbstbefragung unterziehen.) Dev Patel glänzt als David Copperfield, Tilda Swinton und Hugh Laurie gehört ein Preis für das irrwitzigste Paar der Saison. Die vielen Brüche, die David in seinem Leben erleiden muss, werden dennoch in kräftigen Bildern sichtbar.

Wie die Träume eines Kindes zerstört werden etwa: Da bricht durch die Zeichnung auf einmal die Hand des gewalttätigen Stiefvaters. Oder wenn der kleine David vorlesen soll, und vor lauter Angst verschwimmen die Buchstaben vor seinen Augen. Dickens’ Romane bieten klare Blicke in Kinderseelen, dieser Film versucht das auf eigene Weise. „Einmal Reichtum und zurück“: Der deutsche Untertitel greift flapsig das Thema und Trauma von Charles Dickens auf.

Als Zwölfjähriger musste er in einer Fabrik arbeiten, während sein Vater samt Familie im Schuldgefängnis einsaß. Sein ganzes Leben war der erfolgreiche Schriftsteller von der Sorge geplagt, wieder arm zu werden. In den Roman „David Copperfield“ schrieb er nicht nur diese Kinderarbeit-Episode ein, er schenkte der Figur des David auch seine Initialen. Am Ende wird der Schriftsteller Mut zusprechen: dem Kind, das er einmal war.

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