Dplomatie - © Jérôme Préboi/Film Oblige/Gaumont

"Diplomatie": Theater als Kino, grandios

19451960198020002020

"Diplomatie": Der Plot thematisiert die Befreiung von Paris 25. August 1944. Doch die Historie ist nur die Folie, auf der Volker Schlöndorff eine Männerfehde abhandelt.

19451960198020002020

"Diplomatie": Der Plot thematisiert die Befreiung von Paris 25. August 1944. Doch die Historie ist nur die Folie, auf der Volker Schlöndorff eine Männerfehde abhandelt.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Jahrestage anno 2014 nehmen kein Ende -und können ob der ihrer Fülle kaum Eingang in ausführlichere Auseinandersetzungen finden. Die Befreiung von Paris von der deutschen Besatzung, die sich am 25. August zum 70. Mal jährte, kommt aber durch den jüngsten Film von Volker Schlöndorff in den Blick: Denn der deutsche Arthausfilm-Regisseur nimmt die letzte "deutsche" Nacht in Paris zum Ausgangspunkt einer Männerfehde, die dann in die kampflose Übergabe der Stadt an die von General De Gaulle befehligte französische Armee mündet.

Paris bleibt unzerstört

Paris 1944 wurde in den späten Augusttagen nur mehr von wenigen deutschen Soldaten gehalten, die alliierten Truppen marschierten von der Normandie längst gen Deutschland. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli ernennt Hitler Dietrich von Choltitz zum Stadtkommandanten von Paris -einer der wenigen Generäle, denen er noch vertraut. Am 23. August befiehlt Hitler: "Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen." Diesen Befehl befolgt Choltitz nicht.

Was den bislang immer loyalen Haudegen aber bewogen hat, die Stadt Paris nicht in Schutt und Asche zu legen, bleibt weitgehend Spekulation. Der französische Autor Cyril Gély entwickelt in seinem Theaterstück "Diplomatie" einen Besuch des Schwedischen Generalkonsuls Raoul Nordling bei Choltitz am Abend des 24. August zu dem entscheidenden Vorgang: Nordling, der mit dem Stadtkommandanten schon einen Gefangenenaustausch zwischen der Résistance und der Wehrmacht verhandelt hat, gelingt es, den zur Vernichtung von Notre-Dame, Louvre, Eiffelturm, Arc de Triomphe und aller Seine-Brücken entschlossenen Kommandanten umzustimmen. Dass dieser -militärisch -gar nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätte, ganz Paris tatsächlich in die Luft zu jagen, wie der Plot des Stücks nahelegt, spielt da wenig Rolle.

Denn das Theaterstück spiegelt grandios die Psychologie zweier alter Herren wider, die um das Leben und den Tod von Paris miteinander ringen. Volker Schlöndorff, der sich selber als Parisliebhaber bezeichnet, übernimmt in seinem Film diesen Plot und setzt damit den beiden Protagonisten ein filmisches Denkmal, auch wenn die konkrete Handlung des Streifens eben keineswegs historisch verbürgt ist.

Geschichte als Psycho-Duell

Eigentlich ist "Diplomatie" vor allem ein in Film gewandeltes Bühnenkammerspiel, das vornehmlich durch die Figuren Choltitz und Nordling und deren Psycho-Duell lebt. Schlöndorff wandelt hier auf Spuren prominenter Vorbilder -etwa von Roman Polanski, dem zuletzt im "Gott des Gemetzels" (2011) und "Venus im Pelz" (2013) Vergleichbares gelang, und dem aber schon mit "Der Tod und das Mädchen"(1994) über die Begegnung einer Frau mit ihrem Folterknecht eines lateinamerikanischen Regimes auch ein "politisches" Kleinod gelungen war.

Diese gefilmte Männerfehde, die von André Dussollier (Nordling) und Niels Arestrup (Choltitz) genial gespielt wird, gerät bei Schlöndorff zu einem gleichermaßen außergewöhnlichen Kammerspiel: Theater als Kino -und was für eines!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung