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Gold kommt in Fatih Akins Verfilmung von Heinz Strunks 2016 erschienenem Tatsachenroman über Fritz Honka, der im Hamburg der frühen 1970er-Jahre mehrere Frauen ermordete, nur im Titel vor. Noch so vielversprechend mag "Der goldene Handschuh" klingen, die Hamburger Kneipe, die sich dahinter verbirgt, ist eine schäbige Absteige, in der sich schwere Alkoholiker wie Doornkaat Max und der Nazi "Soldaten Norbert" sowie vom Leben schwer gezeichnete ältere obdachlose Frauen und Prostituierte treffen.

Nur die Lust am Verbotenen und Abgründigen lockt zwei gutbürgerliche Teenager hierher, doch der Junge wird seinen Besuch bald bereuen. Für den Hilfsarbeiter Fritz Honka ist das aber der Ort, an dem er Kontakt zu Frauen knüpfen, sie in seine Wohnung einladen und dort bestialisch ermorden kann.

Schon die erste Einstellung des Films löst mit dem Blick in diese versiffte Wohnung und eine im Hintergrund nur halb bekleidet auf einem Bett liegende Frau ein unangenehmes Gefühl aus. Rund 15 Minuten wird kein Wort gesprochen werden, wenn Honka die Frauenleiche verschnürt, sie in einem Plastiksack verpackt und über die Treppe zu entsorgen versucht. Als er dabei gestört wird, schleppt er die Leiche wieder in seine Dachwohnung und holt einen Fuchsschwanz aus dem Nebenzimmer. Schon setzt er die Säge am Hals der Ermordeten an, braucht dann aber doch einen Schnaps, bevor er zur Tat schreitet.

Die Kamera blickt dabei dann zwar auf die Beine der Toten, aber man hört das Geräusch zersplitternder Knochen. Den Ton gibt dieser 1970 spielende Auftakt vor, noch drastischere und ekligere Szenen werden nach einem Zeitsprung von vier Jahren folgen. Akin suhlt sich förmlich im Dreck, Alkohol, Urin und Blut und streut dazwischen auch ein paar für Horrorfilme typische Schockmomente ein.

Gespür für Milieus

Feine Töne sind Akins Sache nicht, hyperrealistisch bis hin zur Überzeichnung, aber auch sehr dicht schildert er dieses Milieu, sodass man den Gestank fast riechen und schon ein Blick in die verdreckte Toilette von Honkas Wohnung Brechreiz auslösen kann.

Feine Töne sind Akins Sache nicht, hyperrealistisch bis hin zur Überzeichnung, aber sehr dicht schildert er dieses Milieu, dass man den Gestank fast riechen kann.

Ganz bei sich ist der 1973 als Sohn türkischer Einwanderer in Hamburg geborene Regisseur bei dieser Milieuschilderung einer Welt abseits des deutschen Bürgertums. Italienische Immigranten standen im Mittelpunkt von "Solino" (2002), in der türkischen Community Hamburgs spielte "Gegen die Wand" (2004) und von den Problemen eines griechischstämmigen Hamburger Restaurantbesitzers erzählte er in "Soul Kitchen" (2009). Dieser migrantische Aspekt spielt auch in "Der goldene Handschuh" mit einer griechischen Familie, die unter Honka wohnt, herein. Fremdenfeindlichkeit deckt Akin hier zwar auf, doch in der Fokussierung auf den Frauenmörder wird dieses Thema kaum vertieft.

Zu nah am Täter

Mit dickem Strich werden auch die Figuren gezeichnet und bleiben dadurch auf Typen reduziert. Der 23-jährige Jonas Dassler spielt hinter mächtiger Gesichtsmaske mit großem Körpereinsatz den 39-jährigen Frauenmörder, outriert dabei aber auch, wenn er immer wieder wie der Glöckner von Notre Dame durch diesen Höllentrip von einem Film schwankt. Schonungslos nah an ihm dran bleibt Akin auch bei den Gewalttaten, bei denen Honkas enormer Frauenhass zum Ausdruck kommt. - Frauenfeindlich wird der Film dadurch zwar nicht, doch die drastische und ausführliche Schilderung dieser Morde scheint dennoch problematisch und ist auf jeden Fall kaum zu ertragen.

In dieser Fokussierung auf den Täter und dessen Milieu und im Verzicht auf Erklärungen kann sich "Der goldene Handschuh" aber auch nicht zum giftigen Gesellschaftsbild der BRD der 1970er-Jahre weiten. Einzig mit zwei Teenagern, denen Honka mehrmals über den Weg läuft, sowie Schlagern wie "Ein Schiff wird kommen" oder "Junge, komm bald wieder", die den Morden unterlegt sind, wird angedeutet, dass es zu dieser Zeit auch noch ein anderes Deutschland gab.

Zu dünn und zu vage bleibt dies aber, erst die plastische Kontrastierung der Welt des Kiez mit der bürgerlichen Gesellschaft, die damals der Sieg Deutschlands bei der Fußball-WM im eigenen Land begeisterte, hätte für spannende Reibungsflächen gesorgt, so aber bleibt dieser drastische Serienkillerfilm in seinem eigenen Sumpf stecken.

Der goldene Handschuh D/F 2019. Regie: Fatih Akin. Mit Jonas Dassler, Margarethe Tiesel, Katja Studt, Marc Hosemann, Tristan Göbel. Warner. 119 Min.

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