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Familie als Farce

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Ich schrieb heute mein neues Stück zu Ende - bis auf die letzten zehn bis zwanzig Zeilen. Ich weiß nem-lich (sie) noch nicht, ob der Held sich - oder die Heldin umbringt. Ohne eine schwere Verwundung wirds keineswegs abgehn." Dies schrieb Arthur Schnitzler am 18. Jänner 1893 an seine damalige Geliebte Marie Glü-mer. Florentin Groll (Regie) hat das Stück „Familie" für das Burgtheater neu entdeckt. Im Kasino am Schwarzenbergplatz kam es endlich zur Uraufführung. Mit Erfolg! Gespielt wird auf drei Bühnen, oft simultan: in der Mitte der bürgerliche Salon der wohlhabenden Familie Moser, flankiert vom Jugendzimmer des Helden Ernst und der Proletarier-Wohnung, der Heldin Herkunft.

Kein verzweifeltes Liebespaar, sondern eine Interessengemeinschaft von zwei halbherzigen Revolutionären präsentiert Schnitzler in seinem in manchen Facetten etwas unausgego-renen Stück. Ein verheerender Nervenkrieg um Lug und Trug tobt auf den drei Bühnen, wenn es um die Wahrheit geht. Doch zuviel Wahrheit ist des jungen Helden Tod, vor allem dann, wenn er eigentlich gar keiner ist. Mit einem Sprung aus dem Fenster entflieht Ernst nicht nur dem Leben, seinen FJtern und einer möglichen zukünftigen eigenen. In schlampig sitzenden Kostümen gibt das Ensemble (mit flel-ma Gautier als souveräner Mutter) ein (Un-)Sit-tenbild der Fin-de-Siecle-Gesellschaft ab. Was bleibt ist die Lüge. Die Bevolution hat nicht stattgefunden, der Skandal ist zur familiären Tragödie geworden, die Familie zur Farce reduziert. Grolls klare und schlüssige Inszenierung wäre besser ohne Zwischenaktmusik ausgekommen, verdient aber trotzdem Beifall. Denn es grenzt doch an ein Bravour-Stück, ein fragmentarisches Werk einigermaßen geschlossen aufzuführen.

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