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Im Kammerton

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Der „S i m p 1“ zeigt üblicherweise sein Programm zunächst einmal dem herbeiströmenden Messepublikum, ehe er es dem scheinbar allzu strengen und humorlosen Urteil der Wiener Kritik aussetzt. Sollen sich die harmloseren Gemüter von draußen wenigstens ungestört amüsieren, ehe ihnen die gestrengen Hauptstädter schwarz auf weiß nachweisen, daß der ganze Spaß eigentlich niveaulos war. Diesmal war die Vorsorge nicht notwendig. Das neue Programm „Gegen den Strich“ hat Niveau wie schon lange nicht. Es besitzt etwas, was neben der scharfen Satire, dem lauten „Gspaß“ und dem behäbigen Humor ansonsten immer weniger zur Geltung kommt: wirkliche Ironie, die ja zugleich immer Selbsrironie zu sein pflegt. Man schmeckt nicht nur. die Pointen des Karl Farkas nach — das tut man ja immer. Man spürt auch etwas von nachdenklicher Zeitkritik in den Kabarettnummern selbst: etwa in der auch textlich ausgezeichneten Parodie Maxi Böhms auf unsere süßlichnette Konsumentenkultur in der Radiowerbung oder bei der Konfrontierung Nestroys (eine der ausgezeichneten Masken Ossy Kolmanns) mit der Kulturhyänenwelt der Filmindustrie. Daß Cissy Kraner die Texte Hugo Wieners mit ihrer eigenen Persönlichkeit zu einem lückenlosen Ganzen zu verschmelzen weiß, schafft bei jedem Auftreten ein neues Kunstwerk des Kabaretts. Melodie der Zeit: unhörbar ihr trostloser, sinnhungriger Unterton. Bei den täglichen „fünfundzwanzig“ Stunden der Schönheitspflege, bei der Endstation Beserl-park. Mehr Zeitkritik, mehr Frage an das „Woher“ und „Wohin“ ist in diesen Chansons als in langen, redseligen Leitartikeldramen.

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