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Maria Magdalena: Die Fallhöhe vergeben

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Die „Maria Magdalena” von Friedrich Hebbel ist aktuell, wie jedes Stück, das zeigt, wie sich Männer abputzen und wie Frauen zum Handkuß kommen. Die Szene, in der Leonhard (Bernhard Schir) die schwangere Klara (Stephanie Liebscher) kalt abfahren läßt, ist ein Höhepunkt des Abends in Wiens Theater in der Josefstadt. Auch wie die Gerichtsdiener in der Wohnung wüten, das ist schon von heute. Und Hilmar Thate ist ein Ausbund jener verstockten Wohlanständigkeit, an der jede Wirklichkeit abprallt.

Es liegt natürlich auch am Stück, daß keine Sekunde Zweifel am schrecklichen Ausgang aufkommt. Angelica Domröse inszenierte vor allem die ersten beiden Akte mit großer Liebe fürs Detail, aber leider auch als pfeilgerade Entwicklung aufs tragische Ende hin, was bekanntlich nicht die Fallhöhe fördert; hier ist das Theaterkauderwelsch einmal am Platz.

Nach der Pause wird die Szene nachtschwarz eingedunkelt, an Klaras Sprung in den Brunnen kann bald kein Zweifel mehr bestehen, doch vorher wird das Publikum mit einer Handvoll abgegriffenem Regie-Kleingeld bedient. Etwa, wenn Fritz Karl als Karl mitten in der guten Stube duscht. Auf daß wir nicht etwa auf die Idee kommen, die Detailverliebtheit der ersten Akte könnte etwas mit Realismus zu tun haben.

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