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"No": Wie Chiles Diktatur abgewählt wurde

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1988 ließ Chiles Diktator Pinochet das Volk über seinen Verbleib im Amt abstimmen. Pablo Larrain setzt in "No“ dessen Gegnern ein Denkmal.

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1988 ließ Chiles Diktator Pinochet das Volk über seinen Verbleib im Amt abstimmen. Pablo Larrain setzt in "No“ dessen Gegnern ein Denkmal.

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Am 11. September 1973 stürzte General Augusto Pinochet in Chile durch einen von den USA unterstützten Militärputsch den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und errichtete eine brutale Militärdiktatur. Schon in der Verfassung von 1980 wurde für 1988 ein Referendum über die Verlängerung von Pinochets Amtszeit festgesetzt. Eine manipulierte Formsache sollte diese Abstimmung sein, doch auf internationalen Druck mussten die Machthaber die demokratischen Spielregeln einhalten.

Werbung und Politik

Der Ausgang dieser Abstimmung ist bekannt, dennoch versteht es Pablo Larrain, der mit "No“ nach "Tony Manero“ und "Post Mortem“ seine Trilogie über die Diktatur Pinochets abschließt, die Spannung bis zum Ende hoch zu halten.

Im Mittelpunkt steht der Werbefachmann René Saavedra (Gael García Bernal). Wenn er am Beginn erklärt "Heute denkt Chile an die Zukunft. Das Land ist für eine Werbung dieser Art bereit!“, denkt man, dass es um die Kampagne zum Referendum geht, doch es folgt ein Spot für einen Softdrink. Gleichgeschaltet werden hier zwei Ebenen und mit satirischem Blick macht Larrain deutlich, dass es nicht nur in der Werbung, sondern auch in der Politik nicht mehr um Inhalte, sondern vor allem um die Verpackung geht.

Der Politik steht Saavedra zunächst gleichgültig gegenüber, ist vielmehr mit privaten Problemen beschäftigt. Nur zögerlich erklärt er sich bereit, die Kampagne der Pinochet-Gegner zu leiten. Beide Gruppen bekommen offiziell für 27 Tage täglich 15 Minuten Zeit, um das Volk zu überzeugen. Die Regierung kann freilich mit ihrem Einfluss auf die Medien den ganzen Tag Propaganda machen.

Die eingefleischten Regimegegner, die selbst nicht an eine Abwahl Pinochets glauben, wollen in ihrer Kampagne den Terror der Diktatur an den Pranger stellen. Auf heftigen Widerstand stößt Saavedra, der nicht die schreckliche Vergangenheit thematisieren, sondern unter dem Motto "Chile, die Freude erwartet uns!“ mit Regenbogenfarben und tanzenden Menschen eine positive Stimmung verbreiten und dem Volk eine glückliche Zukunft vor Augen stellen will.

Mitreißende Aufbruchsstimmung

Wie der Werbefachmann bei seiner Kampagne auf Emotionalisierung setzt, so bedient sich auch Larrain in seinem für den Auslands-Oscar nominierten Film souverän der Strategien des klassischen Kinos: Er setzt auf das Identifikationspotential seines Protagonisten, den er zudem mit dem charismatischen Gael Garcia Bernal besetzt, erzählt geradlinig und dynamisch und lässt den Zuschauer durch eine bewegliche Kamera unmittelbar an den Ereignissen teilhaben.

Für atmosphärische Dichte und das Gefühl von Authentizität sorgt aber auch die visuelle Gestaltung. Gedreht wurde mit einer in den 1980er Jahren weit verbreiteten U-matic-Videokamera, die nicht nur für das ungewohnte fast quadratische 4:3 Format sorgt, sondern deren teils überbelichtete und leicht unscharfe Bilder "No“ auch eine dokumentarische Note verleihen und Archivmaterial und Spielfilmhandlung bruchlos ineinander fließen lassen.

Keine trockene Rekonstruktion eines politischen Ereignisses ist das, sondern packendes Kino. Aufregend zeigt Larrain, wie eine Diktatur ganz ohne Blutvergießen abgewählt wird, und schafft es - wie der Werbefachmann Saavedra - von einem ernsten Thema zu erzählen und doch eine Stimmung der Leichtigkeit und des Aufbruchs zu verbreiten.

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