Agentin - © Lunafilm
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D ann und wann verirren sich auch im aktuellen Kino und Fernsehen noch Spione nach Wien. Wer die Spannungen der Zeit ablesen will, muss aber Richtung Berlin blicken. Die Serie „Homeland“ bezog dort eine Staffel lang Quartier, um nach islamistischen Terrorzellen zu suchen, während in „Berlin Station“ Whistleblower oder Keime eines zweiten Kalten Krieges das amerikanische Sicherheitsempfinden untergruben. Den Stoff für die internationale Koproduktion „Die Agentin“ liefert nun allerdings der Atomkonflikt mit dem Iran. Ein kryptischer Anruf scheucht den israelischen Mossad auf: „Mein Vater ist gestorben. Schon wieder.“ Ein Jahr nach dem Ende ihres Einsatzes in Teheran hat die spurlos untergetauchte Rachel (Diane Kruger) wieder von sich hören lassen.

Die Oberen rücken an, bestellen den Führungsoffizier ein. Thomas (Martin Freeman) soll über die Operation berichten, und über das Risiko, das von der Frau ausgeht. Auch er selbst scheint ihnen wenig wert zu sein, nicht nur wegen der Situation, sondern aufgrund der Tatsache, dass er aus England kommt und mit dem Hebräischen hadert, also nie einer der Ihren sein wird. Das paranoide Geschäft mit dem Vertrauen spiegelt sich in einem fast privaten Essen über den Hügeln des gelobten Lands wider, bei dem Rachel Jahre zuvor „in die Familie“ aufgenommen wird.

Basierend auf einem Roman von Yiftach Reicher Atir, einem pensionierten General des militärischen Geheimdienstes, setzt Regisseur Yuval Adler in seinen Charakteren gut eine nagende Unsicherheit, die das ganze Leben übernimmt, um. Das Aneinandergeraten von Gewissen, Skrupeln und Überlebensinstinkt bündelt sich vor allem in Rachel, deren Karriere sich allmählich in Rückblenden aufbaut, in Form einer Kette von Entscheidungen, die für sie getroffen werden. Eindrücklich verkörpert Diane Kruger diese Zwangslage, die sie möglichst verborgen halten muss. Schauspielerisch blüht die gebürtige Deutsche auf, spätes­tens seitdem sie das Mainstream- und auch Tarantino-Lager hin zu seelisch fordernden Rollen verlassen konnte. Zum Test dafür wird die beklemmende Schlüsselszene, in der sie im Zwischenraum eines Lasters geschmuggelt wird, ständig in Erwartung, gleich vergewaltigt oder getötet zu werden – ein Moment, in dem sie Claire Danes im bereits erwähnten „Homeland“ mindestens ebenbürtig ist.

Auch die recht typischen Verlegenheiten eines mehrsprachigen Films sind am wenigsten in ihr zu finden. Viel von seinem Potenzial verschenkt „Die Agentin“ an die steife Erzählstruktur, die einmal authentisch sein will, ein anderes Mal dann wieder belletristisch. Trotz Kruger und trotz Martin Freeman, der auf sehr subtile Art ihr vorsichtig-verschlossenes Gegenüber gibt, ist man erstaunlicherweise in akuter Gefahr, das Interesse daran zu verlieren – trotz dem, was der Film beinhaltet, und zwar weniger den Spionagekrieg ganzer Staaten, sondern den Tribut, den Individuen wie du und ich dafür zahlen.

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