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Politische und kulturelle Repression – „Olfas Töchter“

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Der Dokumentarfilm durchleuchtet anhand eines wirklichen Falles weibliche Sozialisation in Tunesien vor und nach der Revolution.

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Der Dokumentarfilm durchleuchtet anhand eines wirklichen Falles weibliche Sozialisation in Tunesien vor und nach der Revolution.

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Nach der Revolution in Tunesien konnten Salafisten auch Olfa Hamrounis ältere Töchter mit ihrer Propaganda für die weibliche Verhüllung überzeugen. Rahma und Ghofrane missionierten sodann ihre Mutter und ihre jüngeren Schwestern Eya und Tayssir. Nachdem sie aber in einem Trainingslager der Dschihadisten in Libyen verschwanden, distanzierten sich Olfa und die zwei anderen Töchter wieder. Wie konnte es dazu kommen? Was macht die fundamentalistische Bewegung auch für die weibliche Jugend attraktiv?

„Olfas Töchter“ durchleuchtet anhand eines wirklichen Falles weibliche Sozialisation vor und nach dem Arabischen Frühling. Dabei spart der in Cannes preisgekrönte Dokumentarfilm nicht mit Kritik an der repressiven, rabiaten Erziehung der Elterngeneration, die schwere seelische Wunden zufügt.

Kaouther Ben Hania hat ihren Film wie einen psychotherapeutischen Workshop inszeniert; dabei orientiert sich die tunesische Regisseurin an theaterbeeinflussten Therapieformen wie etwa dem Psychodrama. Sie lässt Olfa, Eya und Tayssir von bedeutsamen Szenen ihres Lebens erzählen und diese mit sich selbst und drei Schauspielerinnen nachstellen.

Hend Sabri übernimmt stellvertretend immer wieder den Part der Mutter und wird stellenweise zur Stimme ihres Gewissens. Nour Karoui und Ichraq Matar spielen die abwesenden Töchter. Das Verfahren gestattet der Mutter, innerlich abzurücken, ihr Verhalten von außen zu reflektieren, selbst zur Regisseurin des erschütternden Geschehens zu werden. Manchmal fragt man sich aber, ob diesem Vorgehen, gerade angesichts einer Gesellschaft, die Individuen schnell beschämt und an den Pranger stellt, nicht selbst etwas Gewaltsames anhaftet.

Dennoch bietet der aufschlussreiche und diskussionswürdige Dokumentarfilm so nicht nur tiefe Einsichten in eine Familientragödie, sondern auch in eine Gesellschaft und ihren spezifischen Generationenkonflikt. Danach erlaubte Rahma und Ghofrane die Hinwendung zur islamistischen Heilslehre, sich selbst als Frau wertzuschätzen, sich aufzuwerten und die familiären Machtverhältnisse umzukehren.

Olfas nachgestellte Hochzeitsnacht deckt die Härte der Mutter zugleich als gesellschaftliches Problem auf, die Gewalt entspringt diesem religiös legitimierten Patriarchat, in dem die Ehre einer Familie von der „Reinheit“ der Töchter abhängig gemacht wird. Man kann sich aber, wie Eya und Tayssir, anders entscheiden. Darüber noch mehr zu erfahren, wäre gleichermaßen erhellend gewesen

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