Starkes Spiel, schwache Story

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In ausgetretenen Bahnen bewegt sich der 85-jährige Oscar-Preisträger Roman Polanski bei seiner Verfilmung von Delphine de Vigans 2015 erschienenem Roman "Nach einer wahren Geschichte". Ein Spiel um Schein und Realität wird zwar schon damit eröffnet, dass die Romanautorin sich selbst zur Hauptfigur ihres Werks macht, doch weiter führt dieser Trick kaum. Nachdem diese Delphine (Emmanuelle Seigner) mit der Verarbeitung der Geschichte ihrer Mutter einen Bestseller gelandet hat, erhält sie nicht nur Schmähbriefe wegen der Vermarktung dieses Schicksals, sondern leidet auch zunehmend unter einer Schreibblockade und fühlt sich ausgelaugt.

Eine Wende in ihrem Leben bringt die Begegnung mit der jüngeren Elle (Eva Green), die sich als ihr größter Fan vorstellt und behauptet, Ghost-Writerin für die Memoiren von Politikern, Künstlern und TV-Moderatoren zu sein. Aus zufälligen Begegnungen wird bald eine engere Beziehung, denn Elle nistet sich immer intensiver in Delphines Leben ein, beantwortet für sie Mails, hält Freunde angeblich zu ihrem Schutz von ihr fern, gleicht sich auch äußerlich ihrem Idol an und fährt sogar als Double für die erschöpfte und psychisch labile Schriftstellerin zu einem Vortrag an einer Schule.

Zunehmend gewinnt Elle so Macht über die Schriftstellerin, beim Zuschauer wachsen aber nicht nur die Zweifel an deren Integrität, sondern auch grundsätzlich an der Existenz der letztlich namenlosen Figur (Elle= sie): Ist das vielleicht nur eine Illusion Delphines?

Realität und Wahn

Während das Verhältnis von Schriftsteller und Fan an Stephen Kings "Misery" und die Schreibblockade an den Coen-Film "Barton Fink" oder François Ozons "Swimming Pool" erinnern, ist Polanski bei der Erkundung eines psychischen Verfalls und der Identitätskrise ganz bei sich. Beklemmend erzählte er in Meisterwerken wie "Ekel" oder "Der Mieter" davon, und wie ein roter Faden zieht sich das Thema des Kontrollverlusts und der ohnmächtigen Ausgeliefertheit von "Rosemaries Baby" über "Der Pianist" bis zu "The Ghost" durch das Werk des Meisterregisseurs. Leider fehlt aber die Intensität dieser Filme dem weitgehend auf die zwei Protagonistinnen reduzierten und als Kammerspiel angelegten Psychothriller.

Ein Vergnügen ist es zwar, dem Spiel von Emmanuelle Seigner und Eva Green zuzusehen, doch zu flach sind die Dialoge, um die Spannung hochzuhalten. Immerhin mischt sich böser Witz in den Film, wenn letztlich gerade der völlige psychische Absturz die Schreibblockade zu lösen scheint und Delphine über die Fremde und deren Erzählungen aus ihrem Leben oder eben über ihr Hineinsteigern in diese Illusionen Stoff für einen neuen Roman findet. Da schließt sich dann auch schön der Kreis zum Anfang und der Zuschauer darf sich nochmals die Frage stellen, was nun Realität und was Illusion war?

Nach einer wahren Geschichte (D'après une histoire vraie) F/B/PL 2017. Regie: Roman Polanski. Mit Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez. Constantin. 100 Min.

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