Werbung
Werbung
Werbung

Helene Flöss erschreibt in "Brüchige Ufer" ein Jahrhundert.

Der Tod seiner Mutter bringt Gyula dazu, über die Geschichte seiner verzweigten Familie zu sinnieren. Anhand einer burgenländischen Sippschaft erzählt Helene Flöss in ihrem jüngsten Roman "Brüchige Ufer" von den Hochs und Tiefs eines ganzen Jahrhunderts. Zwei Weltkriege, Hunger, Not und viele Ortswechsel. Bis nach Mauthausen und noch viel weiter. Das Burgenland war bekannt für seine Auswanderungswellen nach Übersee, jeder Burgenländer habe einen Onkel in Amerika und eine Tante in Wien, da ist auch Gyulas Familie keine Ausnahme.

Da war die ewig nörgelnde Mutter, die nur für ihn gelebt haben will, Meinbub. Und der immer ein wenig benachteiligte jüngere Bruder Ferenc, schwerhörig, langsam, ein Loser. Da war die duldsame Großmutter, die bittere Armut kannte und Hunger und sich doch nicht beklagte, eine Fleißige, der jede Arbeit so feierlich still von der Hand ging, als verrichte sie ein heiliges Amt. Da sind die Freunde in Gyulas jungem Leben, freudiger Gedanke an eine unbeschwerte und sorglose Zeit. Da sind, später, die Frauen, da wird es schon schwieriger, die wollen dann immer mehr, geben sich nicht mit dem Moment zufrieden und verlangen, was er nicht geben kann. Und da sind noch viele andere Verwandte, die er allmählich aus den Augen verliert, ein seltener, gern gesehener Gast. Und obwohl er schon fast krampfhaft versucht, sein eigenes Leben zu leben und sich zu lösen, ist er tief verwurzelt in der Geschichte seiner Familie, seiner Herkunft, ein Zwiespalt, an dem er schlussendlich zerbricht.

Ursprünglich in Südtirol beheimatet, lebt Helene Flöss seit 1992 im Burgenland. Sie fängt Traditionen und Besonderheiten ihrer Wahlheimat ein, die einzigartige multikulturelle Mischung aus Österreichisch, Ungarisch und Kroatisch, verwoben im burgenländischen Dialekt und in der Lebensart. Wenn einer nichts lernt, dann heißt es: du kannst ja Csismenmacher werden, csizma heißt der Stiefel auf Ungarisch. Und Helene Flöss erschreibt eine Figur, die beim Ausbruch des ersten Weltkriegs noch gar nicht recht weiß, ob sie zu Österreich oder zu Ungarn gehört.

Poetisch hingegen ist die Sprache, in der Helene Flöss erzählt. Ruhig, manchmal melancholisch und oft mit Einsprengseln dialektalen Lokalkolorits. Die meisten Spezialausdrücke werden im Glossar im Anhang erklärt, viele sind dem gelernten Österreicher ohnehin bekannt. Flöss zeigt das Burgenland als ganz eigene Welt, die kulturelle Einflüsse kennt, die nie weiter nach Westen vorgedrungen sind, eine Welt allerdings, die fast nur noch die Alten pflegen.

BRÜCHIGE UFER

Roman von Helene Flöss

Haymon Verlag, Innsbruck 2005

255 Seiten, geb., e 19,90

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung