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Birgit Schwaner spielt mit poetischem Strandgut.

Dass es eine Flaschenpostbibliothek gegeben habe, sei ihr zu Ohren gekommen, nachdem sie die hier abgedruckten Schriften fand; all die Existenz jener Texte würde darauf hinweisen: "sämtlich mit einem Vorwort versehen, Anspielungen auf Bibliothekare, ob auf losen Zetteln gedruckt, geheftet, oder - einmal - gebunden … schienen sie Editionen dieser Bibliothek zu sein. Abschriften von gefundenen Flaschenpost-Fragmenten, sämtlich von Frauen verfasst; Seefahrerinnen im weitesten Sinn, manche verließen nicht einmal ihr Zimmer."

Fiktive Flaschen

Schon die Vorbemerkung von Birgit Schwaners Buch-Debüt macht deutlich: Da schreibt eine Autorin in großer literaturgeschichtlicher Tradition, war doch die literarische Technik der Herausgeberfiktion vor allem zur Zeit der Romantik weit verbreitet. Eine solche Schreibweise, dass der eigentliche Verfasser eines Romans sich in diesem nur als Herausgeber der Texte vorstellt, findet sich etwa in Laurence Sternes "A Sentimental Journey", in Brentanos "Godwi" oder E. T. A. Hoffmanns "Kater Murr". Bei Birgit Schwaner haben die vermeintlich authentischen Texte ihren Weg zur Herausgeberin vielgestaltig gefunden. Es sind Tagebuchfragmente, die etwa mit drei rostigen Schrauben vor Kap Horn aus der stürmischen See gefischt werden: "Olivgrünes Glas, dick mit Muscheln bewachsen, im Hals ein sonderbar rötlicher Korken." Dann auch auf Seidenpapier geschrieben, zu kleinen Quadraten gefaltet und eng zusammengerollt, in eine ägyptische Bierflasche aus hellbraunem, dünnen Glas gestopft. Oder in ein breitschultriges Fläschchen gesteckt, unklar ob ursprünglich für Hustensaft oder Orangenlikör bestimmt.

Rätselhafte Träume

Den Inhalt der Fundtexte hat Birgit Schwaner ebenso bewegt wie mehrbödig verfasst. Ihre Prosa-Miniaturen und lyrischen Versuche, ihre Aphorismen und Briefzeilen, ihre Selbstgespräche und Reiseberichte erzählen viele Geschichten, rufen auch nach Hilfe und spiegeln rätselhafte Träume. Sie alle landen zunächst in gleichermaßen vielen wie unterschiedlichen Händen; Ornithologen, Filmteams, Schwimmer, Matrosen, Müllmänner greifen sie auf. Man könnte sagen: Die Welt der Flaschenpost, ihre Materialien und Transportbehältnisse, schließlich auch ihre sagenhaften Erzählungen und ihre meist menschlichen Finder geben den Blick frei auf ein Panoptikum potentiell poetischer Provenienz. Anders formuliert: Motivgeschichtlich wird aus einem reichhaltigen Sprach- und Mythenreservoir geschöpft, das das Seefahrergenre mit seinen Meerjungfrauen und Piraten-Figuren ebenso umfasst wie populäre Märchen, bekannte Stellen aus der Bibel und gegenwärtige, schöngeistige Romanliteratur.

Erzählt Edgar Ellen Poe in "Die Flaschenpost" von der unheimlichen Begegnung mit einem Geisterschiff, findet sich Jonas im biblischen Gleichnis in einem Walfischbauch wieder. Raoul Schrott hat indes in "Tristan da Cunha" eine winzige Insel im Ozean als Brennpunkt der Sehnsucht von vier Menschen in Szene gesetzt, deren Leben und Liebesgeschichten bestimmt werden von dem entlegensten Ort der Welt. Im "Manifest der Mondfälscherin", die Birgit Schwaner ans Ende des vorliegenden Bandes gestellt hat, heißt es: "Keine Verdrängung des Irrationalen, Surrealen oder Unverständlichen mehr aus der Sprache! Stammelt, stottert und phantasiert, collagiert oder redet in Zungen …!" Das ist ein kluges ästhetisches Programm, das aber den Makel von Birgit Schwaners Buch noch einmal offenbart. Denn ihre (ja schon hinlänglich in Romantik und Gegenwart etablierten) Themen und Motive, auch ihre Poetik und ihre Schreibweisen sind eindringlich und einnehmend. Doch in Gänze wenig innovativ.

LUNARISCHE LOGBÜCHER

Von Birgit Schwaner

Ritter Verlag, Klagenfurt und Wien 2007 136 Seiten, brosch., € 13,90

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