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Apparatschiks und Pfründner

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Das Klonen von Menschen ist in Österreich verboten, doch bei Siegfried Dohr scheint man eine Ausnahme gemacht zu haben. Nicht nur die muffigen Büros der Beamtengewerkschaft sind bevölkert von diesen älteren, kurz vor der Pension stehenden Herren, an denen die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 15 Jahre spurlos vorübergegangen sind. Auch in den Schreibstuben der AKM, jener Vereinigung, die sich um die Urheberrechte von Autoren, Komponisten und Musikern kümmert, sitzen Menschen, die nicht wahrhaben wollen, daß Zeiten sich ändern. Das Anliegen dieser Dohren: Mehr österreichische Musik im ORF, speziell in 03 - notfalls mit einer Quote, die einen bestimmten Mindestanteil heimischer Unterhaltungsmusik im Radio festschreibt.

Weder Qualität, noch Publikumsgeschmack sollen also entscheiden, welche Musikstücke dem österreichischen Radiohörer zu Ohr kommen, sondern die Frage, ob der Interpret Österreicher ist oder nicht. In dieser Frage kommt es zu seltsamen Allianzen: Denn auch einige Pop-Musiker, die durchaus ernst genommen werden wollen, versuchen sich mittels Forderung nach Quoten Gehör zu verschaffen und so ihre Altersversorgung zu sichern. Der Maler Arik Brauer etwa, in den siebziger Jahren blühender Liedermacher, scheint in seinen Jahren als beamteter Hochschulprofessor verdohrt zu sein: „Der Austro-Pop ist eine seltene Pflanze in Europa - und es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der zuständigen Leute, sie zu pflegen”, tönt er heute. Als ob es für Unterhaltungsmusik zuständige Staatsdiener gäbe (oder geben sollte), die mittels Bescheid die Qualität von Musik verwalten.

„Soll ich mir wünschen, daß Musik von Beamten für Beamte auf Beamtensendern gespielt wird? Soll ich mir wünschen, daß die Apparatschiks und Pfründner, die in allen möglichen Gremien und Vorständen von AKM und Austro Mediana sitzen, Einfluß darauf haben, wer wie quotenmäßig zu Potte kommt?”, ätzt der Austropop-Altstar Georg Danzer in der Fachzeitschrift „Sound & Media”. Unter jenen Musikern, die in den siebziger und achtziger Jahren mit deutsch gesungenen Texten große Erfolge feierten, ist Danzer einer der wenigen, die nichts von törichten Traktaten wissen wollen, mit denen dem Austropop mehr Geltung verschafft werden soll.

Denn daß Stefanie Werger, Andy Baum und Konsorten auf 03 nicht gespielt werden, liegt nicht an einem bösartigen Komplott, einem Boykott, wie manche behaupten, sondern schlicht und einfach daran, daß ihre Platten nicht gut genug sind. Die biedere Instrumentierung und die banalen Arrangements hinken den vom internationalen Pop-Markt vorgegebenen Standards um Jahre und Klassen nach. Selbst jene österreichischen Produktionen, die Gnade beim OBF finden, sind kaum besser, vor allem inhaltlich. Beinhard Fendrichs „Blond” oder die jüngsten Hervorbringungen der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung” würden jeden Peinlichkeitswettbewerb mit uneinholba-rem Vorsprung gewinnen.

An der Agonie der österreichischen Popmusik sind nicht nur die Musiker und Interpreten schuld. In den großen heimischen Aufnahmestudios sitzen zum Teil seit über zwei Jahrzehnten die gleichen Leute an den Reglern, deren Geschmack sich seit geraumer Zeit nicht mehr weiterentwickelt hat. Viele österreichische Produktionen klingen irgendwie nach dem Produzenten Christian Kolonovits, der hierzulande vor 20 Jahren - zu Recht -den Ton angab. Eines Tages verliert einfach jeder den Anschluß an die Gegenwart. Das gilt für Künstler im allgemeinen und (Pop-)Musiker und Produzenten im besonderen.

03 wurde vor genau 30 Jahren gegründet. Das Programm richtete sich explizit an junge Leute, 03 war der erste Jugendsender im deutschsprachigen Raum. Noch nie zuvor aus Österreichs Radioapparaten erklungene Rockmusik kam plötzlich über den Äther, aufmüpfige Moderatoren wie Andre Heller machten Furore. In den siebziger Jahren feierten Musiker wie Wolfgang Ambros und Georg Danzer mit kraftvoller, zeitgemäßer Musik und Texten, die den Nerv der Zeit trafen, nicht zuletzt wegen ihrer Verbreitung über 03, große Erfolge.

Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Heute ist 03 ein durchgestyltes Mainstream-Radio, auf dem hauptsächlich zeitgenössische internationale Popmusik läuft: Kommerz pur. Penetrant gutgelaunte Moderatoren und unsäglicher Humor („Vignettenmann”, „Peda & Peda”) tun das ihrige dazu, um viele denkende Hörer von dieser Frequenz fernzuhalten. Doch anderen gefällt das, und damit erfüllt 03 seinen Zweck. Schließlich ist das „Hitradio” die Melkkuh des ORF-Radio. Ohne die satten Werbeeinnahmen von 03 wäre ein einzigartiger Kultursender wie Öl unfi-nanzierbar. Doch auch das verstehen die alternden Austro-Popper und die AKM-Funktionäre nicht. Sie fordern unbeirrt, daß ästhetisch überholte Musik auf 03 ertönt, nur weil sie aus Österreich stammt.

Dabei gibt es eine sehr lebendige und in ihrem Bereich höchst erfolgreiche österreichische Musikszene. Doch deren Medium ist nicht 03, sondern der ORF-Jugendsender FM4, der ab 19 Uhr auf der Frequenz von Rlue Danube Radio zu hören ist. Allerdings käme dort niemand auf die Idee, sich das Etikett „Aus Österreich” ans Revers zu heften. Denn produziert wird nicht für den (für diese Musik) viel zu kleinen österreichischen, sondern für den internationalen Markt - mit großem Erfolg.

In internationalen Medien wird seitenweise über elektronische (Tanz-)Musik aus Österreich berichtet. Dort wurde Wien in diesem Sommer sogar als die Hauptstadt der elek -tronischen Musik gefeiert. Nummern von Musikern wie Easy-Li-stening-Papst Curd Duca werden von Athen bis Kopenhagen gespielt. Das DJ- und Produzententeam Kruder & Dorfmeister hat mittlerweile Weltruhm erlangt. Das selbstbewußte Duo lehnte schon mal Angebote von Superstars wie David Bowie oder U2 ab: Mit kommerziellen und folglich allzu gefälligen Projekten wollen sie nichts zu tun haben. Daneben gibt es fast alle international vertretenen zeitgenössischen Stile: Ob Gitarrenbands wie „Heinz” oder die „Sofa Surfers” oder Hip-Hopper wie „Texta” - an heimischer Musik herrscht kein Mangel.

Musiker dieser Szene hören sich noch eher alte Schlager und Wienerlieder in den ORF-Regionalprogram men an, als den Ö3-Kommerz. Für Quotenforderungen von abgehalfterten Austropoppern haben sie nur Spott und Hohn übrig. Manfred Schmeczka vom Wiener House-Duo „Bask” erklärt stellvertretend für viele: „Uns interessiert die Quoten-Diskussion überhaupt nicht.”

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