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Auf wundersamen Wegen

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TIERE BEGLEITEN MEIN LEBEN. Von Alja Rachmanowa. Verlag Huber & Co., Frauenfeld, 1963. 168 Seiten mit 10 Abbildu ngen. Preis 13.50 sFr.

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TIERE BEGLEITEN MEIN LEBEN. Von Alja Rachmanowa. Verlag Huber & Co., Frauenfeld, 1963. 168 Seiten mit 10 Abbildu ngen. Preis 13.50 sFr.

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Colette, die unvergeßliche Tierfreundin und Katzenmutter der Weltliteratur, hat eine Schwester bekommen: Alja Rachmanowa, auf deren Fluchtwegen von der Sowjetunion nach Wien und Salzburg, vom besetzten Österreich nach Deutschland, von Deutschland nach Winterthur und dort schließlich nach Ettenhausen bei Aadorf im Schweizer Kanton Thurgau Tiere ihr die Treue hielten, wo sich die letzten Menschen aus dem Staube gemacht hatten.

Davon erzählt die Schriftstellerin in dem Buch „Tiere begleiten mein Leben“. Die persönliche Note des Buches schließt an ihre erste Schaffensphase, die Tagebuchromane, an, der bekanntlich die großen kulturgeschichtlichen Monographien des russischen 19. Jahrhunderts folgten (in ihre Reihe wird sich demnächst ein Dekabristenroman einfügen).

Mehr Persönliches als jemals erfährt die große Desefgemeinde Rachmanowas aus den Geschichten und Bildern dieses Buches. Weit öffnet sich dieses große Herz, aus dem eine franziskanische Liebe zu aller lebenden und leidenden Kreatur strömt. Es träumt nicht, dieses Herz, es ist ganz wach und weiß genau, daß der eben dem Katzenzugriff entrissene Frosch im nächsten Augenblick die Mücke fressen wird und daß die schnurrende Katze nur mit einem Auge ihre Herrin liebkost — mit einem anderen aber auf den schmackhaften Vogel dort auf dem Fensterbrett schielt. Dieses Herz ist auch der „diebischen Elster“ nicht gram, die schon eine goldene Armbanduhr und zwei silberne Gabeln verschleppt hat. Und es zaudert auch keinen Augenblick, sogar 43 wohlgezählten Regenwürmern das lieben zu retten. Ein richtiges Katzenrestaurant deckt täglich den Tisch für die eigenen und fremden Katzen. In der Nacht aber träumt die Erzählerin von der Ernennung zur „Ehrenkatze“ und zum „Ehrenvogel“ und versöhnt damit zwei Welten, die am hellichten Tag der Wirklichkeit einander spinnefeind sind. Alja Rachmanowa redet die

Tiere „Sie“ an, kaum aus anderem Grund als zum Zeichen tiefer Achtung, die sie noch dem letzten Wurm zollt.

Ein Kammerstück menschlich- tierlichei- Vertrautheit und natur- hafter Verbundenheit, die ans Metaphysische grenzt, ist das Gespräch mit dem Freund Laubfrosch. Mit offenem Ohr und großen, verstehenden Augen hört der Frosch aus seiner „Perspektive“ jahrzehntelangem, schwerem, menschlichem Leid zu, vom frühen Tod des einzigen Sohnes der Dichterin im Krieg, einer Wunde, die sich noch nicht geschlossen hat.

Doch „endet nicht mit Fluch der Sang“: Das schöne, reich und sehr persönlich bebilderte Buch schließt mit einem starken Glauben und einer unbändigen Freude an der täglichen Fülle neuer Wunder: neuer Menschen, neuer Tiere und ihrer geheimnisvollen Liebe zueinander.

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