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Erich Loest "berichtet" über DDR-Prozesse und deren Unkosten.

Abhandlungen und Bücher über Prozesskosten sind meist nur sachlich und - außer für den besonderen juristischen Feinspitz - eher unspannend. Grundsätzlich werden im Prozess die Kosten dem Sieger zugesprochen oder bei entsprechendem Ausgang gegeneinander aufgehoben. Die Prozesskosten, von denen der Schriftsteller Erich Loest "berichtet", hat mit Sicherheit er selbst ersetzt.

Im Gegensatz zu den üblichen forensischen Kosten sind jene Erich Loests Unkosten, die einem die Geschichte einer bewegten Zeit abverlangt. Er erzählt von politischen Umwälzungen und Gerichtsverfahren in der tiefsten Deutschen Demokratischen Republik, vulgo DDR, in die er verwickelt war. Loest schreibt den "Bericht" mit einem Zeitabstand von fünfzig Jahren, der ihm aus zwei Gründen nötig scheint. Einerseits wegen des Vergessens und andererseits wegen der "Letzten von damals", die langsam "den Löffel abgeben".

Im Jahr 1957 landet der junge Schriftsteller in Untersuchungshaft. (Man denke in einer ruhigen Sekunde darüber nach, was es heißt, wenn einem ein totalitärer Staat die Freiheit entzieht.) Zur Last wird ihm die "Bildung einer staatsfeindlichen Gruppe, die sich das Ziel gesetzt hat, die Regierung der DDR zu stürzen", gelegt. Der Vorwurf hatte, so lächerlich er damals geklungen haben mag, durchaus etwas Prophetisches, haben den ganzen Ostblock und die totalitären Systeme doch viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit weiteren Intellektuellen zum Wackeln und schließlich Einstürzen gebracht, mögen sie nun Solschenizyn, Wojtyla, Havel, Grafenauer oder Loest heißen.

Erich Loest war, wie er schreibt, bestimmt widerborstig und hat an kritischen Debatten teilgenommen, doch war es übertrieben, dass die Staatsmacht angenommen hat, er hätte im Jahr 1957 den ersten Arbeiter- und Bauernstaat zum Wanken bringen können. Sieben Jahre hat ihn dieser Irrtum gekostet.

In den Prozesskosten stellt Loest seine eigene Geschichte in einen großen historischen Kontext. Er beschreibt die Umwälzungen in den sozialistischen Ländern, die kurze "Tauwetter"-Periode, dann die Rückkehr des Stalinismus in der DDR und die Auswirkungen der Politik auf Menschen, deren Ideen von der offiziellen Linie abwichen. Erich Loest hat alle Vordenker, Mitläufer und Bauernopfer gekannt: Den Philosophen Wolfgang Harich, der zehn Jahre Zuchthaus ausgefasst hat, den "Aufbau"-Verlagsleiter Walter Janka mit fünf Jahren Gefängnis oder den Schriftsteller Gerhard Zwerenz, der sich dem Einsperren wohl nur durch seine Flucht in die Bundesrepublik Deutschland entzogen hat. Hans Mayer, Ernst Bloch, Fritz J. Raddatz, Anna Seghers und viele andere, mutige und weniger mutige, tauchen in diesem Panoptikum des Totalitarismus und der Unmenschlichkeit auf.

Erich Loest schreibt über die Aburteilung der besten Köpfe des mittlerweile verblichenen Staates. Er porträtiert große Namen und Randfiguren, schildert Prozesse, seine Haftzeit und zitiert aus den perfiden Berichten seines heimtückischen Zellen-Spitzels. Als Augenzeuge hat Erich Loest ein Stück Schande vor dem Vergessen bewahrt.

Die Navigation in dieser intensiven Denkschrift erleichtern die biografischen Notizen und das umfassende Personenregister am Ende des Buchs.

Prozesskosten

Bericht von Erich Loest

Steidl Verlag, Göttingen 2007

299 Seiten, geb., € 18,50

Erratum

Autorin der Rezension "Quasimodo" (Die Furche Nr. 24, S. 19) ist anders als angegeben Christa Salchner.

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