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Die Geschichte einer großen jüdischen Gemeinde.

Die jüdische Gemeinde von Baden (und Vöslau) hatte 1923, in ihrer Blütezeit, 2401 Mitglieder und war nach Wien und Graz die drittgrößte österreichische jüdische Gemeinde. Thomas E. Schärf beschreibt ihre Geschichte, auch von innen: die Tätigkeiten der jüdischen Vereine und Jugendbewegungen, die Biografien der Kantoren … Ausführlich porträtiert der Autor die beiden wichtigsten Rabbiner.

Wilhelm Reich, der erste Oberrabbiner Badens, war eine außerordentliche Persönlichkeit. Er verstand es, in den 49 Jahren seiner Tätigkeit als "Friedensfürst" die innere Einheit der Gemeinde zu bewahren und die verschiedenen Gruppierungen miteinander zu versöhnen. Reich wurde 1852 in der Slowakei geboren, er studierte in der streng orthodoxen Pressburger Jeschiwa, führte aber sein Amt in einer modern orthodoxen Weise aus. Er war ein begabter Kanzelredner und publizierte einige Bücher, darunter 1905 einen Bericht über eine Gesellschaftsreise nach Palästina. Sein Nachfolger Hartwig (Naftali) Carlebach wurde 1930 als Sohn des Rabbiners von Lübeck, Salomon Carlebach, geboren. Er stammte aus einer der prominentesten deutschen rabbinischen Rabbinerfamilien; über die Geschichte der Carlebachs gibt es einen deutschen Fernsehfilm und ein sehr informatives Begleitbuch. Einer der beiden Söhne Hartwig Carlebachs war der 1994 verstorbene, berühmte singende Rabbiner Shlomo Carlebach, der Erneuerer der modernen chassidischen Musik. Die Mentalität, striktere Orthodoxie und der Antizionismus des neuen Oberrabbiners stießen in Baden jedoch auf keine Gegenliebe. Es kam zu schweren Konflikten und im Februar 1938 sogar zu Carlebachs fristloser Entlassung.

Schärf zählt einige Prominente auf, die in Baden ihren Sommer-oder Alterssitz hatten, unter anderem die Rabbiner Max Grunwald und Moritz Güdemann, Max Reinhardt, Moritz Gottlieb Saphir, Jura Soyfer und Hugo Wiener. Übersehen hat Schärf dabei den bekannten Rabbiner Bernhard Templer, der in Baden starb und ein Buch über den Weg der jüdischen Frau zur Frauenemanzipation publizierte. Zwei weitere kleine Ergänzungen seien erwähnt. Rabbiner Zwi Taubes war vor seiner Berufung nach Zürich Rabbiner des Pazmanitentempels in Wien. Rabbiner Hirsch Jacob Zimmels wurde in Großbritannien Rektor des orthodoxen Rabbinerseminars "Jews College".

Nach der Shoah kehrten einige jüdische Familien nach Baden zurück. 1957 wurde zwar der Tempelverein Baden, nicht jedoch die Badener Israelitische Kultusgemeinde wieder gegründet. Ab den siebziger Jahren kam es zu Konflikten mit der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, die die rechtliche Nachfolge der nicht wieder errichteten Provinzgemeinden antrat. Für 1988 war der Abbruch des Tempelgebäudes geplant, der sich in keinem guten baulichen Zustand befand. Einige lokale Aktivisten, unter ihnen der Autor des Buches, setzten sich jedoch erfolgreich für dessen Erhaltung und Renovierung ein. Im September 2005 wurde die Synagoge Baden feierlich wieder eingeweiht und in der ehemaligen Frauenabteilung ein Zentrum für interkulturelle Begegnung eröffnet.

Der Autor, Präsident der jüdischen Gemeinde Baden, kritisiert die Kultur des Vergessens und Verdrängens der Stadtgemeinde Baden. So war es nicht möglich, nach Oberrabbiner Reich eine Straße zu benennen; es reichte nur für einen kleinen Weg. Das Buch wird ergänzt mit zahlreichen Illustrationen, einer Liste jüdischer Stiftungen, Hauseigentümer, Gewerbe, einem Glossar und einem Index. Schärf hat mit diesem Buch der Badener jüdischen Gemeinde ein besonders würdiges und schönes Denkmal gesetzt.

JÜDISCHES LEBEN IN BADEN

Von den Anfängen bis zur Gegenwart

Mandelbaum Verlag, Wien 2006

340 Seiten, geb., € 24,90

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