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Bonjour tristesse — Bonjour, Franchise!

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Bonjour, Francoise Sagan! Da hast Du mit achtzehn Jahren Dich wie ein echt französisches Enfant terrible benommen: Du hast ein Buch geschrieben. (Bonjour tristesse. Von Francoise Sagan. Ueber-setzt von Helga Treischel. Ullstein-Verlag, Wien. 192 Seiten.) Diese Geschichte eines jungen Mädchens ist sicher nicht Deine eigene Biographie, obwohl Du vieles aus eigenen Erlebnissen wirst hineingestreut haben (wer täte das nicht in seinen Büchern?!). Hast Du Dein Buch schon einmal von „außen“ gelesen, das heißt, so als hätte es ein anderer Mensch geschrieben? Sieh, ich will Dir erzählen, was in dem Roman „Bonjour tristesse“ steht:

Ein Mädchen namens Cecile hat das Abschlußexamen in der Schule nicht bestanden und fährt nun mit ihrem Vater zum Ferienaufenthalt ans Meer. Der Vater ist ein bißchen Lebemann — er ist Witwer und hat seine Freundinnen, die Cecile meist kennt. Eine nicht gerade sehr gescheite von ihnen, Elsa, geht mit in den Feriensommer. Alle drei vertragen sich gut. Cecile lernt einen jungen Studenten kennen, mit dem sie ihren kleinen, teils neugierigen, teils altklugen Flirt hat. Eines Tages kommt, auf des Vaters unbedachte Einladung hin, Anne: eine „Dame“, Modeschöpferin, klug, groß, Persönlichkeit. Elsa wird ausquartiert und in das Ferienhaus kommt ein wenig Form: der etwas leichtlebige Vater wird ernster, verlernt die Verliebtheit und beginnt Anne wirklich zu lieben. Und Cecile — gefällt diese reife Frau. Da begeht diese ein kluge Dummheit: sie beginnt Cecile zu erziehen, will, daß das Mädchen für das Examen arbeitet, verbietet ihr die Gemeinsamkeit mit dem Studenten Cyril. Einmal schließt sie Cecile sogar ein. Das ist dem an ordentliche Unordnung gewöhnten Mädchen zu viel. Mit Elsa und Cyril zusammen entsteht ein Komplott: obwohl es den beiden sehr langweilig ist, tun Elsa und Cyril als seien sie ineinander verliebt und begegnen oft und „zufällig“ dem seriös gewordenen Vater Cecils — bis dieser eines Tages schwach wird, sich mit Elsa wieder einläßt und Anne davon Kenntnis erhält. Anne fährt nach Paris zurück, wo sie nie ankommt, sie hat einen (vermutlich vorsätzlichen) Autounfall. Da kommt Cecile zu sich: sie merkt, was sie dem Vater und sich, was sie Anne, was sie Elsa und Cyril mit ihrer kindlichen Wut und Rachsucht bereitet hat. Wieder in Paris, ziehen sich Vater und Tochter zurück, sie trauern, sie trauern echt. Aber wie es so geht und in der Logik dieses Buches liegt: nach zwei Monaten beginnt langsam wieder das alte, das leichte, das unordentliche, das vor dem Sommer gewohnte Leben. Nur manchmal in der Nacht wird Cecile wach und denkt und denkt und — „bonjour tristesse!“ — Das also ist Deine Geschichte, die Du schriebst, Francoise Sagan. Es ist eine für Dein Alter zu gut geschriebene Geschichte. Sie i s t gut — gleichgültig, wie alt Du warst, als Du sie schriebst. Wie ich hörte, warst Du oft krank: Danke Gott dafür, daß Du gezwungen wurdest durch die Natur, ruhig und still und oft allein zu sein. Das weckte wohl Deine Geister. Weißt Du auch, daß Deine Geschichte sehr „jung“ ist: jung im Sinne von Un-erfahrenheit mit dem Leben und im Sinne von modern. Leider hast Du nicht viel erfinden müssen, um diese Geschichte zu schreiben. Man liest sie in einem Zug, weil es wie ein Bericht, ein blendender Bericht, ein photographischer Tatsachenbericht über unsere Zeitgenossen ist. Also — Du verstehst, daß ich nicht Dich tadle, sondern uns alle — reichlich unmoralisch. Aber hinter dieser Moral, die keine ist, aber allzuviel gelebt wird, steht ein Hoffnung. Dein Buch schließt mit dieser Hoffnung und ich wünschte, daß von den Tausenden von Lesern — in allen Ländern, die Dein Buch bereits herausbrachten — einige berühr werden. Es ist die letzte Hoffnung für die letzten Zeitgenossen: die Traurigkeit. — Danke, Francoise Sagan.

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