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Liebe in Zeiten der politischen Umbrüche

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Der neue Roman des polnischen KZ-Haftlings lauft auf zwei Ebenen ab: auf einer politischen und einer persönlichen.

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Der neue Roman des polnischen KZ-Haftlings lauft auf zwei Ebenen ab: auf einer politischen und einer persönlichen.

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Kamil, sechzigjähriger Intellektueller aus Polen, hat zu viel hinter sich, überlebte die Unbill der deutschen Besatzung, dann den kommunistischen Absolutismus (auch mit antisemitischer Schlagseite), aber auch Abenteuer mit schönen Frauen spielten eine unschöne Rolle in seinem Abenteuerleben. Da kommt eine Einladung in die ganz anders geartete Schweiz, wo man das alles nicht mitmachen mußte. Die schöne Redakteurin Ruth Glass soll als Tonbandinterview das Leben des schwer Gezeichneten aufzeichnen und alle Haltlosigkeit festhalten, in die er geraten war. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, und natürlich verliebt sich Kamil auch in sie.

Der siebzigjährige, spät berühmt gewordene Schriftsteller Andrzej Sz- czypiorski hat sich viel vorgenommen für seinen neuen Roman. Der Buchumschlag avisiert, es sei „ein großer Liebesroman“, doch der verwickelte Inhalt widerspricht solcher vereinfachenden Floskel. Der alternde Zeitgenosse Kamil hat zu viel Zeitgeschichte und Liebesgeschichten mitgemacht, so daß er zur Liebe nicht mehr fähig ist. Immer glaubte er, Liebesgeschichten zu erleben, es waren aber nur Frauengeschichten, inmitten der lieblosen Lebensgeschichte, die sein Dasein ausmachte.

Demgemäß verläuft der Erzählstrang nicht geradlinig, ist verwickelt, denn in fatalste Widersprüche verwickelt war die Hauptfigur. Sie bringt nichts Besseres mehr zustande, als auch ihre Partner bei Begegnungen in die eigenen Widerspräche zu verwickeln. Der Autor selbst hat richtiggestellt, was er mit diesem Roman vorhatte: er wollte darstellen, „daß die* Unfähigkeit zu lieben ein Charakteristikum unserer Zeit ist“. Wir lieben die Vergeßlichkeit und vergessen Liebe wie Leid. „Laß uns noch fünfzig Jahre warten, dann wird sich herausstellen, daß die Juden sich selbst abgemurkst haben“, und alle „Krematorien und Gaskammern wird der vom Wüstenwind des Vergessens herbeigewehte Sand zuschütten“. Es geht um alles Verschüttete: Liebe und Lieblosigkeit.

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