Werbung
Werbung
Werbung

Viel Alltag und eine unverwechselbare Stimmung in Gregor Sanders Erzählband.

Mit Miniaturen werden Idyllen assoziiert, wenn sie in Blei gegossen, in Stein geschnitten oder in einer Glasflasche den Blick auf das Detail lenken. Miniaturen müssen jedoch keine Idyllen sein. Literarisch hat der in Schwerin geborene Autor Gregor Sander mit seiner ersten Veröffentlichung "Ich aber bin hier geboren" Miniaturen des Alltagslebens in der ehemaligen DDR vorgelegt. Keine Idyllen, viel Alltag und trotzdem kann man davon nicht genug bekommen.

Bei diesen Erzählungen geht es dem Leser wie beim Verzehr eines Schokoladenmousse, jeder Löffel ein Genuss. Man weiß, dass es längst genug sein sollte. Es sollte aber keinen letzten Löffel geben. Gregor Sander weiß immer, wann es genug ist, mehr von dieser Stimmung, die seine Menschen zwischen Rostock, Stralsund und Berlin am Leben hält, mehr an Melancholie und Schwermut wäre vielleicht nur schwer zu ertragen. Seine Geschichten sind wohl deshalb so unmenschlich kurz und unbarmherzig abgeschnitten.

Wir wissen, der Faden des Lebens ringelt sich weiter, doch der Autor hat einen Punkt gesetzt. So gerne würde man oft mehr erfahren, würde wissen, wie es den beiden Männern, die dieselbe Frau lieben, am Ende des Sommers geht, wie das Wiedersehen in Venedig ausfallen würde mit jener Frau, für die der Ich-Erzähler gekocht hat und die nicht zum Rendezvous kam, weil sie an diesem Abend in den Westen geflohen ist. Und welche Stücke würde Pavel aus Brno inszenieren, wenn er nicht mehr wie ein Bote des Herbstes jedes Jahr in der Stadt auftaucht, sondern ein Jahr bleibt?

Die Geschichten beginnen irgendwo und enden beiläufig. Der Ausbruch aus der Enge des Alltags gelingt nur wenigen der vorgestellten Figuren. Das Ende ist nicht offen, sondern jedes Ende ist eine Variation des Ausklingens, charakteristisch und unverwechselbar. "Es war wie der eingefrorene Moment auf einem Stillleben, und irgendwann dachte ich dann gar nichts mehr."

Unerfüllte Liebe, die Frage nach dem richtigen Leben und den zufälligen Entscheidungen dominieren abgelöst vom Ende der Illusionen, wenn der einzige Ausweg der Rekord eines Arbeitslosen ist, sechs Tage lang auf das Meer zu sehen.

Und trotzdem gibt es das kleine Glück, ohne Idylle, ein Strohhalm und wenn es nur ein gedachter, ein imaginierter ist. "Dann hätte ich meine Beine gegen das Handschuhfach gestemmt und wäre glücklich gewesen. Nur diesen Moment lang, nur während der Fahrt."

Ich aber bin hier geboren

Erzählungen von Gregor Sander

Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002

139 Seiten, geb., e 15,40

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung