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Wolfgang Hermann erzählt wieder vom liebenswerten, traumverlorenen Herrn Faustini, der diesmal einen Ausflug ins Übersinnliche wagt.

Zwei Jahre nach "Herr Faustini verreist" begegnet dem Leser der liebeswerte, traumverlorene Pensionist Faustini wieder, der natürlich immer noch in Hörbranz lebt und gerne mit dem Bus nach Bregenz fährt (obwohl ihn die ÖBB als Fahrgast eigentlich nicht verdient hat …). Auch den zärtlichkeitsbedürftigen, launischen Kater gibt es noch sowie die Nachbarin Frau Gigele, die mittlerweile aber den anderen Blick entwickelt hat, zuweilen mit Silberstimme anstatt wie früher mit Lockenwicklerstimme spricht und Kontakt zu Lichtschwestern wie Erzengeln pflegt.

Frau Gigele ist es auch, die Faustini die Warnung seiner Großtante Fini aus dem Jenseits übermittelt, seine Eingeweide reinigen zu lassen. So führt die Reise, die Herr Faustini bei seinem jüngsten Abenteuer unternehmen wird, auch nicht an den Lago Maggiore, sondern zwangsläufig ins Übersinnliche, denn eine Darmspülung wird leicht zur existenziellen Grenzerfahrung, vor allem wenn sie am Hofe - pardon: in der Ordination Doktor Gurgel-Etzels von Brunhild verabreicht wird.

Ein reiner Tor

Wolfgang Hermann erzählt aus Faustinis Perspektive, dem in seiner grenzenlosen Naivität auch höchst Erstaunliches wie sprechende Hunde nicht merkwürdig erscheint, die ihm andrerseits aber auch ermöglicht, den Dingen auf den Grund zu sehen und so manch zeitgeistige Absonderlichkeiten zu entlarven. So entspricht Faustini dem Typus des reinen Toren, der allem - einem Zitronenfalter ebenso wie seiner Waschmaschine - die gleiche anteilnehmende Aufmerksamkeit schenkt und jeden nur möglichen Umweg nimmt. Alles beginnt damit, dass sich Faustini auf die Suche nach einem neuen Lieblingspullover macht, ein letztlich erfolgloses Unternehmen. Faustini macht nämlich - sehr zum Missfallen seines Katers - die Bekanntschaft des Hundes Tobi, in dem jener im Buchtitel erwähnte (alte) Mann wohnt, dem aber so gar nichts Mephistophelisches eignet, schließlich ist der Hund kein Pudel und auch Faustini erinnert nur im Diminutiv an den gelehrten Doktor Faust.

Dennoch beginnt mit der Freundschaft zu Tobi die eigentliche Menschwerdung Faustinis, denn der "leidenschaftliche Herumstreuner und Zeitdieb", "begnadete Löcher-in-die-Luft-Schauer und Ereignislosigkeitsakrobat" übernimmt endlich aus eigenem Antrieb eine Aufgabe. Er möchte den alten Mann aus dem Hund befreien, doch dazu muss erst ein altes Unrecht wieder gutgemacht werden. En passant stolpert Herr Faustini noch in ein amouröses Abenteuer mit der unbezwingbaren Brunhild und kauft sich spontan einen Zitronenbaum.

Das ist nun alles recht verwirrend und soll es wohl auch sein. So baut der Autor noch weitere Figuren des Nibelungenliedes in die Geschichte ein und lockt den Leser dadurch wiederholt auf falsche Fährten, da Siegfried, Hagen, Gunther und Thankward (!) mit ihren Vorbildern nicht viel mehr als eben die Namen gemeinsam haben. Hier wäre auch ein wenig Kritik zu üben: der ganze Nibelungen-Bezug wirkt, auch wenn zwei der drei Haupthandschriften des Nibelungenliedes (nämlich A und C) aus Hohenems stammen, etwas aufgestülpt und die Geschichte läuft Gefahr, dadurch überfrachtet zu werden.

Entwaffnend sympathisch

Andererseits kommt es dem Autor, der unlängst (gemeinsam mit Brigitta Falkner) mit dem Förderungspreis zum Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet wurde, auch weniger darauf an, seine Geschichte zielstrebig zu ihrem Ende zu führen. Die stets von einem feinen Witz durchwehte Erzählung erfolgt in Mäandern, assoziativ, und so manch ausgelegter Faden bleibt auch einfach liegen. Getragen und zusammengehalten wird das alleine durch die Figur Faustinis, den man einfach gern haben muss. Oder kennen Sie noch jemanden, der seinen Zitronenbaum vor den Erfahrungen mit der Realität bewahren möchte?

HERR FAUSTINI UND DER MANN IM HUND

Roman von Wolfgang Hermann

Deuticke/Zsolnay Verlag, Wien 2008

190 Seiten, geb., € 18,40

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