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Der Doppler-Effekt

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Kennen Sie Christian Doppler? Nein, das ist nicht, wie Sie vielleicht meinen, der nach Leder und Tabak duftende grünbeschürzte Schuster in dem kleinen Laden um die Ecke, der die Arbeitsplätze der Schuhindustrie gefährdet, indem er sonst noch gebrauchsfähigen Schuhen eine neue Sohle verpaßte. Einen „Doppler” nannte man den Reparaturvorgang. Aber das ist längst Nostalgie. Heute kauft man ein Paar neue Schuhe. Doppler-Handarbeit ist viel zu teuer. Der selige Heinz Conrads hat dem Doppler Schuster längst den Abschied gesungen.

Fragen Sie Ihren computermäßig und physikalisch gebildeten Sohn! Er wird Ihnen sagen, daß der Doppler auch nicht die bei kostenbewußten Trinkern beliebte Zwei-Liter-Weinflasche ist, sondern ein berühmter österreichischer Physiker, der 1803 neben Mozarts Wohnhaus in Salzburg geboren wurde, an der Wiener Universität wirkte, in Venedig 1853 starb und auf dem Friedhof San Mi-chele begraben wurde. Die Salzburger sind eben dabei, ihrem großen Sohn ein kleines Gedenkmuseum einzurichten. Denn auch seinetwegen kommen Fremde in die Festspielstadt. Dieser Christian Doppler entdeckte nämlich einst, daß die Frequenz jeglicher Wellenstrahlung sich ändert, wenn sich die Strahlquelle bewegt. Töne zum Beispiel werden tiefer, wenn sich das Instrument oder die Lärmquelle entfernt. Beliebteste Hör-Demonstration ist die jedermann bekannte Erfahrung des absteigenden Tons einer pfeifenden Lokomotive beim Wegfahren.

Aha, werden Sie sagen, das also ist der vielzitierte Doppler-Effekt, und verschone mich mit der mathematischen Formel, die mir so abstrakt erscheint wie die Rechenkünste Einsteins und Heisenbergs! Nur eines sollten Sie noch wissen: Für jede Re-rechnung ferner Geschwindigkeiten, ob Sterne oder Raketen, ist der Doppler-Effekt die mathematische Grundlage. Ohne den Christian Doppler wüßten wir nicht, wie schnell zum Beispiel der nächste Komet an uns vorbeifliegt.

Wenn sich nun Ihre Dankbarkeit und Ihr Stolz auf den großen österreichischen Landsmann in den hier zulande üblichen Grenzen hält und Ihnen Sterne und Lokomotivenpfiff egal sind, so hat - nach dem Beispiel des benachbarten Wolfgang Amade Mozart neuerdings die Süßwarenindustrie ein zungenmilderes Gedenksouvenir anzubieten. Probieren Sie also: Doppler-Konfekt wie Doppler-Effekt, made by Konditor Fürst zu Salzburg! So ein sophisticates Marzipan-Schoko-Kekserl sollte uns doch auf die physikalischen Gedenk-Sprünge helfen!

Ob freilich der Doppler gegen die Mozartkugel aufkommt, die einst der Industrie-Generalsekretär Krejci das intelligenteste Exportprodukt Österreichs genannt hat? Auch eine Zau-berflöte tönt, wenn sie sich rasch entfernte, tiefer gemäß Doppler-Effekt, aber eine Kugel bleibt eine Kugel, so wie Mozart Mozart bleibt, einfach schön anzuhören ohne Frequenzberechnung, und weitaus wohlklingender als der Lokomotivenpfiff.

Die Mozartkugel hat vor einigen Jahren den durchaus wohlschmeckenden Mahler-Würfel ebenso aus dem Feld geschlagen wie den Versuch eines Schubert-Kegels. So ohne weiteres läßt sich nicht einmal die heimische Musikgeschichte versüßen. Wie Mozart schmeckt, das wissen mittlerweile viele Millionen Kugelkonsumenten, doch auch Bruckner kommt nicht so recht über den musikkundigen Gaumen. Und da soll ein trockener Physiker eine Chance haben!

Zu wünschen wäre sie ihm. Ich habe den Doppler-Konfekt-Effekt probiert und die Frequenz gesteigert. Der Stimmton wurde sehr behaglich und auch ohne Entfernungsbewegung immer tiefer. Ein Bio-Physiker erklärte mir das Phänomen dieses kulinarischen Doppler-Effekts. Es handelt sich um eine sogenannte Bauch-Resonanz. Ich bin eben keine Loko motive.

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