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Der Fuballkenner

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Während der Halbzeit hatte ich Gelegenheit, unseren beliebten Bundesvorsitzenden im Ankleidezimmer zu erwischen.

„Glauben Sie, daß unsere Boys siegen werden?“

Herr Van Wijnen lächelte jenes breite, sportliche Lächeln, das man in Sportkreisen sosehr zu würdigen weiß.

.Ich darf nicht viel verraten“, sagte er, „dieses aber will ich Ihnen wohl sagen: Wenn die Belgier mehr Goals machen als wir, haben sie die Oberhand. Machen wir dagegen mehr Tore, dann ist der Sieg unser. So ist es nun einmal beim Fußballspiel. Das vergißt der Außenstehende wohl mal.“

„Was halten Sie von unserem Mittelläufer Bastiaanse?“

„Er arbeitet tüchtig. Und, was bei diesem Spieler so nett ist: er begreift den Ball. Er fühlt, wohin das Leder will, um was es bittet und was es braucht, seine Schwierigkeiten und Nöte. Kurz, seine Ballbehandlung zeugt von Begriff. Er läuft nicht wie ein Tollkopf hinter ihm her, aber er lebt sich in den Ball hinein und versucht, ihn zu begreifen. Solche Spieler brauchen wir. Solche Spieler besitz* dieses geheimnisvolle Etwas, das wir, Insider unter uns, das nennen.“ (Herr Van Wijnen machte einen Fingerschneller.)

„Läßt sich das, das Sie das nennen, auf die Dauer erlernen?“

Herr Van Wijnen lächelte. „Es läßt sich nicht erlernen. Nur durch Liebe zu dem Ball und völlige Hingabe ihm gegenüber kann es mit den Jahren kommen, wie eine Gnade. Und plötzlich ist es da. Dann sitzen wir, Insiders, auf der Tribüne und sagen auf einmal zueinander: Janssen hat es. Das sind ergreifende Momente im Leben eines ,Sportlers'.“

Die Rührung überwältigte Herrn Van Wijnen bei dieser Erinnerung. Der von der Sonne gebräunte Mann begann wie ein Kind zu weinen.

„Was halten Sie von dem Spiel Rol-hagens?“

„Zu kurz!“ rief Herr Van Wijnen aus, die Arme zum Himmel erhebend, „zu kurz! Seine Fußarbeit ist gut! Nettes Ticktackspiel für die Tribüne, es macht aber den Ball nicht reif für die Taue. Was ein Spieler immer vor Augen halten muß, ist dieses: wie mache ich den Ball reif? Er muß nicht glänzen wollen. Er soll bedenken: ich bin nichts, der Ball ist alles. Ich habe im Ball aufzugehen. Ich muß auf meine Peisönlichkeit verzichten und mich gleichsam in den Ball auflösen. Ich soll Ball werden.“

„Sind Sie selbst Ball gewesen?“

„Zehn Jahre lang. Ich hatte mich derartig mit dem Ball vernämlicht, daß meine Mitspieler mich schließlich vom Felde abstießen.“

.Was halten Sie vom Linksaußen Kersenmaker?“

„Seine Kopfarbeit ist gut, er versucht es aber allein. Dribbeln, immer nur dribbeln.“

„Und der Torwart Rietheuve'l?“

„Kein Bauch. Ich sage immer zu einem Torwart: wirf den Bauch davor. Ein Torwart hat den Ball, der sich seinem Tor nähert, als seinen persönlichen Feind zu betrachten. Das ist die Mentalität. Ich habe mal einen spanischen Torwart gekannt, der in den Ball biß. Er warf sich auf den Ball und biß ein Stück heraus. Unsere Jungen können noch viel vom Ausland lernen. Sie werden sagen: Was macht es, ein Stück aus dem Ball zu beißen? Nichts. Aber es kennzeichnet die Mentalität. Ich habe mal in Lissabon einen Torwart gesehen, der mit dem Ball unter dem Arm das Feld abrannte und ihn im Keller seines Hauses mit einem Beil in Stücke schlug. Sie werden sagen: Was macht es? Nichts. Aber es kennzeichnet. Es schafft eine bestimmte Atmosphäre, von der wir, Insiders unter uns, sagen: Es ist da. Ich fühle manchmal im Ankleidezimmer schon, ob es schon da ist. An der Weise, in der ein Spieler seine Schnürsenkel festmacht, fühle ich es. Neuerdings sah ich nur die Sporthose des Mittelstürmers Speet am Haken hängen, und an der Weise, in der diese Hose da hing, fühlte ich: es ist nicht da.“

Aus dem Niederländischen übersetzt von A. F. C. Brosens

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