Destillierte Geschichte

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Alexander Demandt versucht in einem Band die gesamte Weltgeschichte zu erzählen.

Irgendjemand hat einmal gesagt, die eigentliche Kunst beim Schreiben eines Buches sei zu wissen, was man weglassen kann. In diesem Sinne ist Alexander Demandt ein wahrer Künstler: auf schlanken 368 Seiten hat er nichts weniger als die gesamte Geschichte der Welt vorgelegt - von der Entstehung der Erde bis über die Gegenwart hinaus: "Das Ende unseres Sonnensystems ist nicht das Ende der Welt. [...] Die Expansion des Weltalls verringert die Energiedichte, so dass man vom Kältetod spricht. Der Urknall kehrt sich um: Am Ende gibt es minimale Energie auf maximalem Raum." Bevor es aber soweit ist, und die Entropie - die Unordnung im Physikalischen wie im Sozialen - alle Ordnung aufhebt, ist noch genügend Zeit, Bilanz zu ziehen und darüber nachzudenken.

Stakkato-Stil

Wie dieses Zitat (und der Anspruch einer einbändigen Weltgeschichte) vermuten lässt, hat Demandt ein belesenes, ein gelehrtes und ein lehrreiches Buch geschrieben. Aus der Legion an Geschichtsbüchern, die sich mit Rom, Griechenland, den Religions- oder Weltkriegen beschäftigen, hat er die Essenz destilliert. Herausgekommen ist ein Geschichtsbuch im Stakkato-Stil, das Fakten an Fakten reiht. Die Geschichten, die Geschichte zu lebendiger Wissenschaft machen, mussten dem ehrgeizigen Projekt daher zwangsläufig zum Opfer fallen.

Dafür aber erfreut Demandt, der an der Freien Universität Berlin Geschichte lehrt, durch einen reichen Quellenschatz, den er dem Leser ebenso knapp wie klar aufbereitet hat. So lässt er Thukydides zu Wort kommen um ein paar Fragezeichen hinter die Entwicklungspolitik zu setzen. Der griechische Historiker wusste bereits um die "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen", dass die Geschichte der Zivilisation ungleichmäßig verläuft. Noch heute, so Demandt weiter, leben Naturvölker "vorzüglich an die Umwelt angepasst - Armut muss nicht Elend bedeuten [...] Stärker als der Schutz in Reservaten mit Staatspension und Tourismusbetrieb wirkt der Lockruf der Missionare und die Bedrängnis durch Modernisierung, die allzu oft ein Leben mit Lumpen bedeutet."

Es scheint, als durchziehe ein morbider Hauch das ganze Werk: immer wieder ist vom Ende, vom Untergang oder von der Fehlentwicklung zu lesen. Reiche zerfallen und Ideen verkommen von hehren Idealen zum blutrünstigen Horror der Gleichmacherei, die in der Französischen wie der Russischen Revolution auf Guillotine oder in den Gulags endete. Aber, und das ist das Vorrecht der Geschichtsschreibung, er dokumentiert auch, dass der Mensch immer wieder weitergemacht und wieder Neues geschaffen hat: dass der Wille zu leben stärker als alle Katastrophen ist.

Dennoch unterhaltsam

Auch wenn es keine Geschichtchen über Kleopatras Eselsmilch zu lesen gibt, unterhaltsam ist Demandts Buch trotzdem. Was fasziniert ist die Leichtigkeit, mit der er den Bogen schlägt von Stephen Hawkings Theorie der Raumkrümmung hin zu den ersten prähistorischen Höhlenmalereien. Und Demandt macht neugierig, auf die vielen anderen Bücher, denen seine Essenz entstammt. Ein Buch also zum Bücherlesen.

Kleine Weltgeschichte

Von Alexander Demandt

C.H. Beck Verlag, München 2003

368 Seiten, geb., mit Abb., e 24,90

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