Die Banalität des Geheimen

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Eine Biografie bietet prosaischen Einblick in das Leben des Geheimdienstchefs Maximilian Ronge.

Achtung geheim! Neugier weckt man am besten durch deren Verbot. Daher rührt der Reiz von Spionagegeschichten. Dass es hinter den Kulissen der Geheimdienste eher prosaisch zugeht, wissen allenfalls die Leser von Graham Greene. Auch die Biografie des Generalmajors Maximilian Ronge ist so ein Lehrstück über die Banalität des Geheimen.

"Ernst, männlich, strebsam, ausdauernd, verlässlich": So beurteilten seine Ausbilder die "Gemüthsbeschaffenheit" des Zöglings Ronge, der 1893, knapp neunzehnjährig, in die Theresianische Militärakademie zu Wiener Neustadt eintrat. Solche Eigenschaften brachten einen im Staat der Habsburger und ihrer Armee nach oben, auch wenn man wie Ronge nur 160 cm maß. Der Sohn eines Militär-Rechnungsrates machte Karriere.

1907 berief ihn der Chef des Generalstabs, Conrad von Hötzendorf, ins "Evidenzbüro", damals noch eine kleine Stabsstelle, die sich im Lauf des Krieges zum schlagkräftigen Militärgeheimdienst mauserte. Treibende Kraft war der kleine Ronge, der seine Befehlshaber von der Notwendigkeit rücksichtsloser Spionagebekämpfung überzeugen konnte. Im Krieg war jeder galizische Brieftaubenzüchter des Hochverrats verdächtig: Während im schweigenden Hain von Trakls Grodek die Gehenkten baumelten, kletterte Ronge die Karriereleiter hoch. Er wurde Geheimdienstchef.

Graue Eminenz

Doch das "scharfe Eingreifen" half bekanntlich nichts. Der Kaiser musste gehen. Ronge aber blieb - und er blieb seinem Kaiser treu. Zuerst als stellvertretender Leiter eines "Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amts", dann als Leiter eines Militärmatrikenamts und schließlich als Chef eines "Staatspolizeilichen Evidenzbüros" im Bundeskanzleramt unter Dollfuß und Schuschnigg. In all diesen Ämtern arbeitete Ronge brav für die Rückkehr der Habsburger, denen er einst "Treue bis in den Tod" geschworen hatte.

Als graue Eminenz zog Ronge die Fäden im Kampf gegen die Sozialdemokratie und für den autoritären Ständestaat. Er sammelte Daten, stellte Verbindungen her und koordinierte die Umtriebe paramilitärischer Verbände. Wieder kämpfte er vergebens: Am 13. März 1938 holte ihn die Gestapo und brachte ihn nach Dachau. Nachdem er KZ und Krieg überlebt hatte, konnte er sich, weit über siebzigjährig, noch einmal nützlich machen, indem er die neue österreichische Regierung beim Aufbau eines Geheimdienstes beriet. 1953 starb Maximilian Ronge.

Personelle und politische Kontinuitäten aufzuzeigen, die von der Monarchie bis in die Zweite Republik führen, ist ein Verdienst dieses Buches. Ein zweites, dass es die mitunter seltsamen Blüten freilegt, die im Dickicht der Wiener Behörden gedeihen konnten. Entgegen der etwas reißerischen Aufmachung liest es sich über weite Strecken mehr wie eine Studie in Verwaltungsgeschichte als wie eine Biografie. Das liegt auch an der Persönlichkeit des braven Geheimbürokraten Ronge, der in der Freizeit gern wanderte oder ins Kino ging. Sie lässt den Autoren Verena Moritz und Hannes Leidinger nur wenig Fleisch zum Erzählen.

Übrigens entpuppte sich deren Doktorvater, der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz, im Zuge der Recherchen als Enkel Ronges. Neben vielen privaten Archivalien hat Jagschitz ein Vor- und Nachwort beigesteuert, worin er von seinen familiären Erinnerungen an den Großvater erzählt und diese mit der zweifelhaften Rolle kontrastiert, die Maximilian Ronge in der österreichischen Geschichte gespielt hat.

Im Zentrum der Macht

Die vielen Gesichter des Geheimdienstchefs Maximilian Ronge

Von Verena Moritz, Hannes Leidinger, Gerhard Jagschitz

Residenz Verlag, St. Pölten 2007

440 Seiten, geb., € 24,90

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